Kolumba
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»Wenn ein internationaler Tanz-Star wie die Belgierin Anne Teresa De Keersmaeker zum Experimentieren aufgelegt ist, dann ist ein ungewöhnliches Geschenk vorprogrammiert. Mit Grundkonstanten ihrer Handschrift ist stets zu rechnen: Klarheit, Repetition und mathematische Strenge. Am Anfang ihrer Karriere stand die Interpretation minimalistischer Musik eines Steve Reich. Gefolgt sind in den 40 Jahren ihres Schaffens Bach, Schönberg, Weber oder Miles Davis. Ausruhen auf dem Erreichten ist nicht ihr Ding. Sie treibt den Tanz immer weiter hinaus ins nicht bestellte Terrain, etwa in den White Cube eines Museums. | Das Pariser Centre Pompidou, die Londoner Tate oder das New Yorker MoMa dienten ihr bereits als Bühne für eines ihrer Stücke. In diese illustre Gesellschaft reiht sich jetzt das Kölner Kolumba ein. Das Museum des Erzbistums hat für die Tänzer ihrer Compagnie „Rosas“ die Räume geleert und versucht sich mit der Ausstellung: „Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir“ an einem ungewöhnlichen Format. Die acht geplanten Kapitel, die in einer Art Work in Progress zu einem Ganzen wachsen sollen, erstrecken sich über ein ganzes Jahr. | Die medienübergreifenden Beiträge werden sich mit Körperbildern beschäftigen und danach fragen, wie der Blick auf den eigenen Körper für einen erweiterten Kunstbegriff relevant sein kann. | Mit De Keersmaekers eigens für die Architektur von Peter Zumthor entwickelten Arbeit „Dark Red“ zu beginnen erweist sich als ein fulminanter Auftakt. Nicht weniger als über den Zeitraum von einer Woche hat man sich während der regulären Öffnungszeiten im lichtdurchfluteten zweiten Stockwerk die direkte Konfrontation mit dem Publikum vorgenommen. De Keersmaeker hat im Vorfeld gründlich die örtlichen Gegebenheiten studiert, um in dem statischen „Körper des Museums“, wie sie sagt, bewegliche Körper agieren zu lassen und dabei zu erkunden, in welche Zukunft wir in einer existenziellen Krise wie der Corona-Pandemie, die Körpernähe lebensgefährlich erscheinen lässt, gehen wollen. Wer über die fensterlose Treppe in das erste Stockwerk gelangt, bekommt beinahe Flügel, wenn er den Vögeln folgt, die sich in dem schwarz-weißen Kurzfilm von Jan von Ijken zu riesigen Verbänden zusammengeschlossen haben. Neben ihren eigenen Zeichnungen, die De Keersmaekers Notationssystem aus Zirkeln und Ellipsen preisgeben, hat die Choreografin weitere Werke aus der hauseigenen Sammlung ausgewählt, darunter in einem abgedunkelten Kabinett einen Totenschädel aus der Mappe „Der Krieg“ von Otto Dix. Dass gleichzeitig in ihrer persönlichen „Hängung“ der Beatles-Song „Blackbird“ zu hören ist, irritiert zunächst, ist aber mit reichlich politischem Hintersinn platziert. Der Text nimmt Bezug auf die Bürgerrechtsbewegung der USA und die Unruhen im Frühjahr 1968. Außerdem hatte sich Paul McCartney für die Melodie von Johann Sebastian Bach inspirieren lassen, einem der Lieblingskomponisten von De Keersmaeker. | Raus aus dem Schatten, trifft man im zweiten Stockwerk in einer Wandecke zunächst auf Kopien von El Grecos berühmten Apostel-Porträts. Dass nebenan die im Kreis stehenden Tänzer durchsichtige Blusen in just den Kleiderfarben der Apostel tragen, überrascht da nicht weiter. | Schon eher, dass ihre kaum merklichen Bewegungen aus winzigsten Gesten bestehen: einem angehobenen Finger, einem ausgestreckten Bein. Zu den Tonband-Klängen der „Opera per Flauto“ nehmen die Tänzer Posen an, die an die weltentrückte Körpersprache auf den Gemälden erinnern. | Man muss nicht über Stunden vor Ort ausharren, um den Eindruck eines flüchtigen Labors vermittelt zu bekommen. Die Präsenz der Tänzer ist schon nach wenigen Minuten überwältigend. Das sich entwickelnde Geschehen aus nächster Nähe erleben zu dürfen ist beglückend, vorausgesetzt, man kreist mit den „Aposteln“ und schaut ihrem Gleiten von allen Seiten zu – und das ganz ohne die üblichen Demarkationslinien. (Alexandra Wach, Blick auf den eigenen Körper „Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir“ gastiert im Kölner Kolumba, Kölner Stadt-Anzeiger, 15.9.2020)

»Auf dem Sterbebett wird jeder Sünder fromm, sagt man, und für sündhafte Städte wie Köln gilt wohl, was Heinrich Böll bei seiner Heimkehr aus dem Krieg notierte: „Das zerstörte Köln hatte, was das unzerstörte nie gehabt hatte: Größe und Ernst.“ In den Trümmern überlebte zudem eine Madonna, die, stumm, ernst und vergebend, zum Symbol für die Wiederauferstehung der in Schutt und Asche versunkenen Stadt erkoren wurde. Drei Jahre später war Kölle wieder heilig: Anlässlich der 700-Jahr-Feier der Dom-Grundsteinlegung zogen neun Reliquienschreine unter den Augen ausländischer Ehrengäste durch die Stadt. Vielleicht hat Kolumba, das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, all die Jahre auf diesen Tag gewartet. Seit seiner Eröffnung zählte es stur und unbelehrbar das eigene Haus und die „eingekellerte“ Madonna in den Trümmern zu den jährlich wechselnden Ausstellungsstücken, so, als wäre tatsächlich daran zu denken, Haus und Kapelle nach Ausstellungsende ins Regal zu stellen. Jetzt, mit seiner den Aufbrüchen von 1919, 1949 und 1969 gewidmeten Schau, rückt die Stadtheilige der Nachkriegsjahre wieder ins Zentrum von Kolumba – und mit ihr das Fortleben der Religion in der von zwei verheerenden Weltkriegen doch eigentlich endgültig entzauberten Moderne. Am besten betritt man Kolumba also über den Seiteneingang der kölschen Muttergottes. Aber auch wer den profanen Weg nimmt, versteht rasch, warum die religiösen Heilsversprechen nicht nur nicht totzukriegen sind, sondern in düsteren Zeiten besonders hell zu strahlen scheinen. An den Anfang der chronologisch geordneten Ausstellung haben die vier Kolumba-Kuratoren Bilder von Carlo Mense, Conrad Felixmüller und Franz Wilhelm Seiwert gehängt, allesamt ausgewiesene Vertreter der Moderne und als solche nicht unbedingt der Frömmelei verdächtig. Aber auch sie flüchteten sich in den Jahren des Ersten Weltkriegs in die katholische Bilderseligkeit und zeigten Heilige, eine Messe oder Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auf Himmelfahrt. Eigentlich kein Wunder: Auf Bilder des Leids und der Erlösung besaß die Kirche ein Jahrhunderte altes Quasi-Monopol, wie das gleich nebenan abgehaltene „Jüngste Gericht“ des mittelalterlichen Meisters der Ursula-Legende eindrucksvoll beweist. Selbst ein Progressiver wie Seiwert kam nicht um die Einsicht herum, dass kein Mensch so schön leidet wie Jesus am Kreuz – und dass mit diesem Leid die konkrete Utopie einer besseren Welt verbunden ist. Wobei die utopische Hoffnung bei den Modernen weniger aufs Jenseits zielte als auf die aus den Fugen geratene Wirklichkeit. So changiert eine "Dorfkirche" Walther Opheys auf fantastische Weise zwischen Untergang und Neuanfang; die Sonne steht als schwarzes Auge Gottes über einer blutroten Landschaft. Ein ähnlicher„Rückfall“ ins Bewährte findet sich auch in der Zeitenwende von 1949. Am Anfang steht der rekonstruierte Alabastertorso einer im Weltkrieg zerstörten Muttergottes von Jeremias Geisselbrunn, ihnen folgen versehrte Körper wie Gerhard Altenbourgs ergreifender „Ecce homo“ auf angefressenem Packpapier und ein Kruzifix von Ewald Mataré. Sogar die Revolution von 68/69 sagte sich nicht vom Glauben los, sondern deutete die alten christlichen Motive einfach neu. Bei Michael Buthe sind die aus Abfällen zusammengesetzten Heiligen Drei Könige zugleich Abgesandte der Arte povera und Propheten einer Kirche für die Armen. Stefan Kraus, Leiter von Kolumba, entschuldigte sich beinahe dafür, dass die neue Jahresausstellung einen derart starken Anker in der Geschichte hat – und eine beinahe unüberschaubare Fülle an Kunstwerken und Materialien zeigt. Insbesondere die den Zeitenwenden von 1919 und 1949 gewidmeten Räume scheinen dem besenreinen kontemplativen Geist von Kolumba zu spotten. Doch war dies wohl schon immer teilweise ein Missverständnis. Jedenfalls betonte Kraus, dass sein Haus vor allem Unruhe stiften wolle, und zwar in der Gesellschaft wie auch in der Kunstgeschichte.
Tatsächlich scheint unsere dem Gefühl nach katastrophale Gegenwart nach einem neuen Aufbruch zu verlangen – wobei das Neue (was in Kolumba zu beweisen war) durchaus die Züge des Alten tragen darf. In dieser Perspektive sind christliche Motive nicht klerikal, sondern eine Weise, sich dem Menschen, seinem Leid, seinen Hoffnungen und seinen Möglichkeiten, ohne Vorbehalte zuzuwenden. Man kann die erstaunliche Langlebigkeit der religiösen Kunst auch so deuten, dass sie schon immer eine Moderne avant la lettre war. Als Unruhestifter hat sich Kolumba von Anfang an verstanden. Die Kuratoren beharren nicht nur auf der Nähe von moderner Kunst und Religion (was man durchaus skandalös finden kann), sie heben zudem mit Vorliebe moderne Künstler aufs Podest, die in staatlichen Kunstmuseen ein Dasein als Außenseiter fristen (was oftmals der weitaus größere Skandal ist). So macht sich Barbara von Flüe einen Spaß daraus, die Geschichte des 1919 gegründeten Bauhauses „aus der Froschperspektive“, nämlich vornehmlich mit Werken Andor Weiningers zu erzählen, es gibt ein Riesenformat von Norbert Prangenberg zu bestaunen und vom selben Künstler einen Schwarm hingetupfter Schmetterlinge, der „naive“ Erich Bödeker schickte 1969 ein Trio seiner betörenden Betonmenschen auf Mondmission, und sogar das legendäre Klaus-Peter Schnüttger-Webs-Museum des verstorbenen Fotografen Ulrich Tillmann erlebt eine Art Wiederauferstehung. So feiert das Kolumba auch einen Aufbruch zu sich selbst: als Institution, die keine kunsthistorischen Gewissheiten gelten lässt und sich nicht scheut, einen Sessel aus dem Bonner Bundeshaus neben den Schrein des heiligen Albinus zu stellen – oder das erstaunliche Werk eines sechsjährigen Knaben an die Wand zu hängen. Derart viele gute Gründe, fromm zu werden, findet man jedenfalls nicht of am selben Ort. (Michael Kohler, So viele gute Gründe, fromm zu werden. Das Kölner Museum Kolumba widmet sich den Aufbrüchen und Katastrophen des 20. Jahrhunderts, Kölner Stadtanzeiger vom 14./15. September 2019)

»Nachdem Kolumba, das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, sich seit seiner Eröffnung 2007 jährlich zum 14. September jeweils mit einer komplett neuen Ausstellung präsentiert hatte, findet in diesem Jahr erstmals kein Themenwechsel statt. Hintergrund ist jedoch weder Ideenlosigkeit noch mangelnde Leidenschaft: „Wir möchten mit dem deutlichen Zeichen der Verlängerung bewusst machen, in welcher Sackgasse sich das Museumswesen befindet, wenn es nur noch an wechselnden Ausstellungesereignissen gemessen wird“, sagt Direktor Stefan Kraus. Museen seien Speicher, die sammeln, erforschen und vermitteln, keine Event-Locations. Zumal, wenn sie, wie Kolumba, weitgehend mit dem eigenen Bestand arbeiteten. Abgesehen davon, dass der Publikumserfolg der mit dem Römisch-Germanischen Museum entwickelten Ausstellung „Pas de deux“ eine Verlängerung rechtfertige, wolle man auf einen Kulturbetrieb hinweisen, „der nur an seiner Fassade gemessen wird, der ständig personell und finanziell am Limit arbeitet, oft ohne notwendige Ressourcen bilden zu können“. | Das will Kraus allerdings nicht als Kritik am eigenen Träger verstanden wissen. „Kolumba ohne Erzbistum Köln gabe es doch gar nicht.“ Ähnlich wie die Kirche bräuchte und böte Kolumba Rückzugsräume, Nachdenklichkeit, Zeit, Spiritualität – weg von der Betriebsamkeit des Alltags. Aus der Kritik den Rückschluss zu ziehen, man sei gnadenlos unterpersonalisiert und unterfinanziert, sei falsch. „Aber wir dürfen unser Markenzeichen, den jährlichen Wechsel, einmal auslassen, um uns die Zeit zu geben, unsere Hausaufgaben, die ein Museum gemacht haben sollte, wenn es seriös arbeiten will, zu erledigen“. | Und auch „Pas de deux“, die verlängerte Ausstellung, ist im Detail im stetigen Wandel. Während der zwei Wochen, in denen das Museum geschlossen war, wurden Pflege- und Wartungsarbeiten durchgeführt sowie Häng- und Stellproben für zukünftige Ausstellungen vorgenommen. So wurden etwa die fast 600 Exponate umfassende Installation römischer Töpferware und alltäglicher Gefäße der Werk- und Formensammlung von Kolumba einzeln entstaubt, ergänzt und umsortiert. Die Präsentation mit großformatigen Fotos von Anna und Bernhard Blume wirkt dadurch noch dichter. | Auch im Nordturm des Zumthor-Baus gibt es Neues: Der Kölner Maler Heiner Binding reagiert mit zwei Arbeiten auf eine Reihe monumentaler, antiker Grabsteine – ein Ort der Stille, der ergänzt um ein mittelalterliches Reliefs des beweinten Jesus, Raum lässt für Gedanken über Sterben und Tod. | Im Dezember kommt es dann zu einem Gastspiel der Berliner Akademie der Künste, die eine Art interaktives Büro aufbauen wird. Und es wird eine Hommage zum 80. Geburtstag von Attila Kovács geben. Der im vergangenen Jahr verstorbene Ungar hatte über 30 Jahre sein Atelier in Köln. Auch einige Publikationen wurden neu herausgegeben, so eine Beschreibung der Kolumba-Ausgrabung.« (Stefan Worring, "Wir geben uns Zeit, um die Hausaufgaben zu erledigen“, KSTA, 15./16.9.2018)

»Der Tanz geht weiter: Schade eigentlich: Die nächste Jahresausstellung von Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, fällt aus. Damit fehlt der Kölner Kunstszene fraglos eine ihrer größten Attraktionen. Doch die schlechte Nachricht hat einen erfreulichen Kern, denn ab 15. September wird die aktuelle Jahresausstellung „Pas de deux“ um ein Jahr verlängert. Das „Pas de deux“ tanzen Kolumba und das Kölner Römisch-Germanische Museum mit ausgewählten Sammlungsstücken, was man schon deswegen gar nicht oft genug sehen kann, weil das Römisch-Germanische nächstes Jahr saniert wird und auf unbestimmte Zeit in ein Provisorium im Belgischen Haus umzieht.« (Kölner Stadt-Anzeiger, KoM, 10.8.2018)

»"Köln hat die Taschen voll", findet Marcus Trier, Direktor des Römisch-Germanischen Museums, was sich aber auch so gehöre für die einzige deutsche Großstadt mit 2000-jähriger Geschichte. Tatsächlich platzt sein eigenes Haus vor lauter antiken Kulturschätzen aus allen Nähten, was aber nicht der Grund dafür ist, dass es demnächst auf unbestimmte Zeit geschlossen wird. Das liegt eher daran, dass sich die Kölner Taschen auf wundersame Weise leeren, sobald es um die Pflege der städtischen Museen geht. Immerhin sind die Kölner Klingelbeutel noch so gut gefüllt, dass viele römisch-germanische Schätze jetzt in Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, eine vorübergehende Bleibe finden. Unter dem Titel "Pas de deux - Römisch-Germanisches Kolumba" führen beide Häuser Ausstellungsstücke von der Antike über das Mittelalter bis zur Gegenwart zusammen und bringen die Verhältnisse zwischen heidnischem und christlichem Kulturerbe durchaus beschwingt zum Tanzen. Das Prinzip der Ausstellung ist so schlicht wie überzeugend: Jedes Haus öffnet den Kuratoren des anderen die Türen, damit diese nach Herzenslust in der fremden Sammlung stöbern können. Dann setzt man sich zusammen und verkuppelt Objekte, die mehr gemeinsam haben als es die Herkunft zunächst erwarten lässt: ein Augustus-Konterfei mit einem Täuferkopf in der Schale; ein antikes Tiermosaik mit einem modernen Paradiesbild von Norbert Schwontkowski, auf dem die biblische Schlange einer Horde Affen predigt; oder das weltberühmte Diatretglas mit einem Gemäldezyklus von Dieter Krieg. Der gemeinsame Nenner all dieser Paarungen ist die conditio humana, die Frage nach den Bedingungen des menschlichen Lebens. Auch die Römer dachten über den Tod, das Jenseits und das richtige Leben nach, und auch ihren Objekten - oft genug Grabbeigaben - schrieb sich dieses Nachdenken deutlich sichtbar ein. Die Zeitachse der Ausstellung führt nicht nur durch 2000 Jahre Kölner Stadtgeschichte, sondern auch höchst eindrucksvoll durch die Geschichte der menschlichen Suche nach einem höheren Sinn. Es mag dem Geist des Ortes geschuldet sein, dass diese Suche mitunter etwas Karnevaleskes hat. Am Ende der langen Treppe ins zweite Obergeschoss erwarten uns jedenfalls eine Reihe Gesichtsurnen, die dem Tod zu spotten scheinen und auf der gegenüberliegenden Wand von 91 Männerfratzen der Malerin Bénédicte Peyrat gespiegelt werden. Insgesamt ist der Ausstellung eine wohltuende Tendenz zur Archaik eigen: Mal zieht sich diese vom Kölner Schnörkel, einem Markenzeichen antiker Glaskunst, über ein verziertes Gebetbuch bis zur Informel-Malerei Hann Triers. Und ein anderes Mal von tierförmigen Fläschchen über eine gestickte Jagdszene bis zu einem naiven Betonhirsch von Erich Bödecker. Geht es dort um die zeichenhafte Spur des Menschen in der Welt, ist hier das Kreatürliche das Thema - und in beiden Fällen wird aus dem Pas de deux eine weit verzweigte Choreografie der Motive und Bezüge. So schließt die 11. Jahresausstellung von Kolumba wie selbstverständlich an die früheren, thematisch geordneten Schauen an und erweitert den Horizont der eigenen Sammlung zugleich beträchtlich. Spätestens seit der Antike begleiten den Menschen die existenziellen Lebensfragen wie ein Schatten. Wie ein Wunder passen sie allesamt in die großen Taschen Kölns.« (Michael Kohler, Heiden und Christen endlich vereint, KSTA, 14.9.2017)

»Kolumba-Leiter im Interview: Es war eine Gratwanderung von Anfang an
Herr Kraus, Kolumba wird zehn Jahre alt. Warum räumen Sie das Museum zur Jubiläumsfeier an diesem Wochenende aus?
Wir holen damit etwas nach, was wir zur Eröffnung bewusst nicht getan haben, und führen die Qualität der leeren Räume vor. Aber mit dem Zugewinn, dass jeder Besucher, der schon einmal da war, seine eigenen Erfahrungen mit dem Haus, seine Seherlebnisse hinein projizieren kann. Ich hoffe sehr, dass sich das einstellt und die Leute sich erinnern, was Sie an der einen oder anderen Stelle hier gesehen haben. Für ein Haus, das vor allem mit der eigenen Sammlung arbeitet, macht das besonders Sinn, denn die Dinge, die man dort gesehen hat, sind ja nicht weg, sondern gehören nach wie vor zur Sammlung.
Im Grunde ist Kolumba deutlich älter als zehn Jahre, denn die Planungsphase reicht viel weiter zurück. Wie wurde das Museum, was es heute ist?
Das ist tatsächlich eine längere Geschichte, die mit Kardinal Meisner und meinem Vorgänger Joachim Plotzek beginnt. Plotzek hatte das Konzept eines Museums der Nachdenklichkeit schon 1991 vorgedacht, der Impuls für Kolumba ging aber ganz klar von Kardinal Meisner aus. Sein Wunsch war, dass man einen Ort schafft, wo mit den Mitteln eines Kunstmuseums auf zeitgenössische Weise Verkündigung betrieben wird und sich ein Raum für das Christliche, Spirituelle und Transzendente öffnet.
Welche Rolle spielte dabei der Ort, die ehemalige, im Weltkrieg weitgehend zerstörte Kirche St. Kolumba?
Wenn man sich für diesen historischen Ort entscheidet, wenn man die Kirche nicht wieder aufbaut, aber den Ort mit einem Museum tradiert, dann hat man die Möglichkeit, ein Gefäß für menschliche Erfahrungen zu schaffen, die an anderen Orten oft viel zu kurz kommen. Wir wollten einen Raum schaffen, in dem Menschen wieder zu sich selbst kommen können und vielleicht einen Ausgleich für das finden, was ihnen sonst im Leben fehlt. Das war von Anfang an die Gratwanderung, von der wir nicht wussten, ob sie uns gelingt. Aber nach zehn Jahren darf ich vielleicht sagen, dass der Erfolg von Kolumba gerade darauf beruht: Die Menschen erleben Kolumba als besonderen Ort und entdecken, wie wichtig es ist, dass es auch solche Orte gibt.
Sie schöpfen für ihre Jahresausstellungen beinahe ausschließlich aus der eigenen, gar nicht mal so umfangreichen Sammlung. Hat sich dieses Konzept bewährt? Wie weit wird es Sie noch tragen?
Ich habe das nie als besonders große Herausforderung empfunden. Es geht ja gar nicht darum, dass wir jedes Jahr etwas Neues zeigen. Sondern es geht darum, dass wir das Museum als einen Ort vorführen, wo Dinge nicht beliebig ausgestellt werden. Wir versuchen, aus der Notwendigkeit, präzise mit den Dingen umzugehen, eine Tugend zu machen, indem wir jedes Jahr einen Anker setzten und mit einem bestimmten Thema etwas fokussieren. Dann fragen wir uns, mit welchen Objekten unserer Sammlung wir dieses Thema entfalten können. Am schönsten ist es, wenn uns die Werke dabei etwas lehren, was wir vorher gar nicht von ihnen wussten.
Und die Sammlung wächst ja. Nach welchen Maßgaben sammeln Sie?
Das ist das größte Problem von Kolumba. Das Erzbistum stellte das Haus und die Mannschaft, aber uns fehlt ein dem Renommee entsprechender Ankaufsetat, mit dem man die Sammlung auf hohem Niveau mit Marksteinen weiter bringen könnte. Wir haben Förderer, denen wir sehr dankbar sind. Aber gerade im Bereich der Gegenwartskunst sind es nicht genug.
Wobei Kolumba ja nicht unbedingt nach großen Namen strebt, sondern immer auch zu Unrecht übersehene Künstler gefördert hat.
Wir haben immer antizyklisch gesammelt. Als wir Anfang der 90er Jahre Werke von Paul Thek kauften, spielte sein Name in der Kunstwelt überhaupt keine Rolle mehr; den vor wenigen Wochen verstorbenen Maler Hermann Abrell kannte selbst in Köln, seiner Heimatstadt, kaum jemand, als wir ihm vor Jahren, im Alter von 70 Jahren, seine erste Museumsausstellung ausrichteten. Ganz generell schauen wir aber nicht nach günstigen Gelegenheiten, sondern wir suchen nach Künstlern, für die Kunst ein existenzielles Ausdrucksmittel ist.
Sie zeigen sakrale Kirchengegenstände aus dem Mittelalter gemeinsam mit Gegenwartskunst. Geht beides überhaupt zusammen?
Man muss schon sehr aufpassen, dass man die Unterschiede zwischen den Werken nicht einebnet. Aber wenn Kunst ein Medium ist, das existenziell mit dem Menschen zu tun hat, dann ist sie das auch zu allen Zeiten gewesen. Und dann kann man auch versuchen, dieses Existenzielle ungeachtet von Auftragsbestimmung und des früheren Kontextes, den wir ja oft nur erahnen können, miteinander in Verbindung zu bringen. Denken Sie an unseren Christus in der Rast, ein Werk, das im 15. Jahrhundert einen bis dahin nicht dargestellten Teil der Passionsgeschichte illustrierte und in dem viele betroffene Besucher unsere eigene absurde Zeit mit Kriegen und dem dramatischen Leid der Flüchtlinge gespiegelt sehen.
Manchem Kölner erscheint das Museum etwas unnahbar. Dabei machen Sie vieles, um das Publikum auch abseits der großen Jahresausstellungen zu locken.
Wir haben in zehn Jahren allein 30, meist monografische Kabinettausstellungen und Interventionen gezeigt. Wir haben etwa mit der Kölner Oper kooperiert, wir veranstalten Konzerte, Lesungen, Vorträge, Gespräche. Kolumba ist ein Ort, der permanent in Bewegung ist, deswegen räumen wir das Haus zum Jubiläum auch nicht ganz leer, sondern zeigen drei Ausstellungsformate, die anders sind als ein statisches Museum.
Kommen wir zur durchfeuchteten Kolumba-Fassade. Müssen wir uns an den Anblick der eingerüsteten Museumsfront gewöhnen?
Ich fürchte, eine Weile schon. Sie können mir glauben, dass ich nicht glücklich darüber bin. Aber durch diese Maßnahme ist gewährleistet, dass wir unsere Arbeit unbeeinträchtigt weiter führen können. Ich weiß noch, dass diese Fassade in all ihren Details über Jahre hinweg geprüft wurde – und doch diffundiert die Feuchtigkeit seit einigen Jahren allmählich durch die Wand. Wir suchen nach Lösungen, aber wir sind noch nicht so weit. So lange wie wir das Haus geplant haben, so lange werden wir uns jetzt auch damit Zeit lassen, eine Lösung zu finden, die das Haus in dieser Hinsicht verbessert, ohne dabei seine Ästhetik zu beeinträchtigen. Mir fällt dazu immer der tröstliche Spruch des Videokünstlers Nam June Paik ein: „When too perfect, liebe Gott böse.« (Kölner Stadt-Anzeiger, 19.8.2017/ Quelle: http://www.ksta.de/28190598 ©2017)

»Im Anfang war das Wort, und das Wort ward Fleisch – oder doch eher eine grandiose, uferlose und sich selbst nicht selten widersprechende Geschichte? Die Bibel ist schließlich das beste Beispiel dafür, dass jede Überlieferung, jede Kultur, jede menschliche Gemeinschaft mit dem Erzählen beginnt und durch es lebt. Sei es am Lagerfeuer, am Frühstückstisch, in der Kirche oder im Museum. Insofern hat sich Kolumba, das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, viel Zeit gelassen, um vom Erzählen zu erzählen. Aber dieses Atemholen hat sich gelohnt – in seiner neunten Jahresausstellung leuchten die Schätze von Kolumba so hell und klar wie lange nicht mehr. Und nicht nur die: Aus der Kölner Severinskirche kommt mit dem Bilderzyklus „Legende des hl. Severin“ (um 1500) eine Leihgabe ins Haus, die bislang, obwohl so nahe, ein Leben im Verborgenen führte. In Kolumba legt sie als reiche Einführung ins christliche Erzählen einen roten Faden durch die ebenso, nämlich „Der rote Faden – Ordnungen des Erzählens“, betitelte neue Ausstellung. Mit dem Motiv des ordnenden Erzählfadens verbinden die Kuratoren von Kolumba zwei elementare Fragen: Was lässt man weg? Wo schmückt man aus? Bei der Legende des heiligen Severin, deren 20 Bilder sich beinahe durch das gesamte zweite Geschoss schlängeln, ging es vor allem ums Ausschmücken. Vier Jahre arbeitete der Meister der Ursulalegende mit all seiner Kunst daran, einen würdigen Heiligen aus der eher kargen Überlieferung steigen zu lassen – aus dem Bischof wurde ein wundertätiger Jesus-Klon, dessen Gebeine kein gottesfürchtiger Christ in fremder Erde dulden konnte. Das 17. Bild zeigt die Ankunft der Kölner in Bordeaux, dem Sterbeort Severins, wo sie „mit einer großen Menge und Waffengerät“ ganz freundlich um die Herausgabe der heiligen Reliquien bitten. Dass die darob verwirrten Franzosen die Stadttore schlossen und selbst zu den Waffen griffen, gehörte glücklicherweise zu jener Sorte Missverständnisse, die durch den Hinweis auf himmlische Offenbarung und göttliche Fügung friedlich beigelegt werden können – heißt es jedenfalls im Bildertext. Die gute Sache duldet stets die Beigabe von Fiktion, zumal wenn dies mit solcher Kunstfertigkeit wie bei der Figur eines rastenden Christus geschieht. Mit ihm wurde um 1480 eine Lücke der biblischen Passionsgeschichte geschlossen, die damals viele Gläubige umtrieb. Jetzt ruht Christus einsam, ausgemergelt und in Erwartung des nahen Todes im Kolumba von den Strapazen aus. Unerbittlich drücken sich die einzelnen Glieder des Rückgrats durch die Haut: ein Inbild der Kälte und Verzweiflung und zugleich der inneren Einkehr. So rasch, wie es gekommen war, verschwand dieses Motiv allerdings auch wieder aus der christlichen Ikonographie – um stattdessen in Auguste Rodins modernem Denker wiederzukehren. Selbst das, was Nietzsche die notwendigen, uns über unerträgliche Gewissheiten hinwegtröstende Illusionen nannte, unterliegt offenbar der Mode der Zeit. Für diesen Faden durch die Ausstellung haben die Kuratoren vielerorts auf die übliche Gegenüberstellung von Altem und Neuem, sakralen Gegenständen und modernen Kunstwerken verzichtet. Umso eindringlicher wirkt dann der Dialog, den etwa Otto Dix’ Kriegsradierungen mit einem leidenden Christus am Kreuz führen oder die wie Fenster einer Kathedrale arrangierten großformatigen Fotoarbeiten von Anna und Bernhard Blume. Den Schöpfern einer existenziell haltlosen Bilderwelt ist eine Ausstellung in der Ausstellung gewidmet – eine Neuheit im Kolumba-Konzept und zugleich eine herrliche Gelegenheit, das Werk des Künstlerpaares vier Jahre nach Bernhard Blumes Tod endlich wieder in größerem Umfang in seiner Heimatstadt zu sehen. Wie das Ehepaar Blume erzählen auch Keith Haring oder der Videokünstler Marcel Odenbach in sich geschlossene Bildergeschichten. Andere Werke wie Konrad Klaphecks „Die Dämonen des Fortschritts“ setzten das Erzählen in Gang, indem sie uns dazu animieren, das Gesehene vor dem Horizont der Zeitgeschichte einzuordnen. Gleiches gelingt Rebecca Horn mit einem Koffer, der sich an einer Stange wie mit schlagenden Flügeln zur Decke erhebt und doch immer wieder auf halber Höhe zur Erde niedersinkt; im Inneren des Koffers erkennen wir ein zum „Judenstern“ gewirktes rotes Band. Es ist ein bewegender Schluss der Ausstellungserzählung, aber nicht der einzige. Der rote Faden teilt sich und führt in die Turmsäle von Kolumba: Zu Krieg, Vertreibung und Vernichtung; zur haltlosen Blume-Kathedrale; aber auch zur Unterwerfung des Teufels unter die Gnade Gottes beziehungsweise der Klapheck’schen Ironie. Für ein glücklicheres Ende bleibt der Domblick und ein Anfang: die Madonna mit dem Christuskind.« (Michael Kohler, Neue Jahresausstellung in Kolumba mit Blumes, Dix und Haring, Kölner Stadt-Anzeiger, 15.9.20115)

»Heiligenbildchen haben ausgedient. Und das ist gut so, findet der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann, promovierter Kunsthistoriker und vor Jahren Künstlerseelsorger im Erzbistum Köln. Hofmann war am Montag zu Gast in seiner alten Heimat – er amtierte hier bis 2004 als Weihbischof – und hatte ein Geschenk mitgebracht: 90 Original-Zeichnungen der Künstlerin Monika Bartholomé aus dem Gotteslob, dem Gebet- und Gesangbuch der deutschen katholischen Bistümer. Von Mittwoch an sind sie in Kolumba zu sehen, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln. Bartholomé hat das Werk nicht illustriert, sondern eigenständige Arbeiten geschaffen, die gleichberechtigt neben Texten und Liedern stehen. Hofmann betreute das Projekt und holte die Zustimmung der mehr als 30 Bischöfe in Deutschland und Österreich ein – wobei er wohl auch einige Skeptiker überzeugen musste. Bartholomé hat sehr sparsam gearbeitet – mit Linien, die einander begegnen, die sich trennen, die einander stützen und halten oder auch keinerlei Kontakt haben. Gereizt hat sie der Gedanke, nicht für Kunstkenner zu arbeiten, aus dem Kosmos der Kulturschaffenden heraustreten zu können. Das Betrachten einer Zeichnung sei – so Bartholomé bei der Präsentation – ein sehr intimer Moment, der existenzielle Gefühle provozieren könne. Ihre Zeichnungen sind immer auf Mehrdeutigkeit angelegt, erzählt sie, und diese Freiheit ließen ihr auch die Auftraggeber. Es gibt keinen Rückgriff auf bekannte Symbole, auch wenn es den Gläubigen anheimgestellt ist, hier ein Kreuz, dort die Dreieinigkeit zu erkennen. Bischof Hofmann und Stefan Kraus, Direktor des Kolumba, hoffen, dass auch andere Diözesen die Ausstellung einladen. Monika Bartholomé hatte ebenfalls etwas mitgebracht: ihr „Museum für Zeichnung“, für das sie seit Jahren Skizzen, Zeichnungen, Fotografien, Handschriften, Bücher und Postkarten zusammenträgt. Nun hat sich das Museum in einem richtigen Museum „eingenistet“, freut sich Kraus – zumal die Künstlerin Bestände des Hauses integriert hat: Zeichnungen der Leipziger Buchkinder, die von Marienkäfers Geburtstag erzählen und Warteschlangen interpretieren. Für Bartholomé gehören Zeichnungen zum Alltag, die Handschrift ist ein Kulturgut, „ich habe da so ein Sendungsbewusstsein“. Und ihre Botschaft kommt an: Sie zeigt Felsenzeichnungen, Tätowierungen ebenso wie Kritzeleien beim Telefonieren, Maserungen im Holz und Skizzen von Pablo Picasso. Ausgestellt sind Kopien, die angefasst werden dürfen, umräumen wäre ihr nicht so lieb. Denn die Anordnung wirkt nur auf den ersten Blick beliebig, es sind Themenblöcke, die miteinander in Dialog treten. Das kleine Museum im großen ist bis Ende August zu besichtigen, Bartholomé kann sich vorstellen, es später in Technik- oder Designhäusern aufzustellen. Es sei schließlich ein „Denkraum auf Wanderschaft“.« (Susanne Kreitz, Denkraum auf Wanderschaft, Kölner-Stadt-Anzeiger, 13.4.2015)

»Am Anfang steht das niedliche Christuskind am Tor. Es klopft brav an, tritt schüchtern ein und macht es sich im verwaisten herzförmigen Heim gemütlich. Ein paar Bilder später weiß man: Es ist gekommen, um zu bleiben. Im barocken Zeitalter waren solche Andachtsbildchen vom Einzug Christi ins menschliche Herz sehr weit verbreitet – oft fanden sie sich als Lesezeichen im Gebetbuch. In Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, hätte man diese Herz-Jesu-Frömmigkeit allerdings nicht unbedingt erwartet. Zuckerguss, selbst in derart entwaffnende Form gegossen, ist seine Sache eher nicht. | In der neuen, traditionell aus der eigenen Sammlung sakraler Gegenstände und moderner Kunst geschöpften Jahresausstellung ist Kolumba etwas volkstümlicher als gewohnt – weil es das Thema nahelegt. Es geht um Freude und Hoffnung, um das Glück der Schöpfung, die Verwandlung der Materie im Glauben und durch die Kunst und auch, der Ausstellungstitel „Playing by Heart“ deutet es an, um das Spielerische, das uns befreit. Allerdings muss niemand fürchten, dass ein seliges Jubilieren durch das weihevolle Museum hallt. Man begegnet eher einer stillen, aber deswegen vielleicht umso tiefer empfundenen Freude – etwa auf den Zügen der Muttergottes mit Kind aus St. Kolumba, die einem ausnahmsweise schon im Foyer entgegeneilt. | Mit dieser aus dem ersten Stock herabgestiegenen Empfangsdame kann nicht viel schiefgehen – auch wenn Stefan Kraus, Leiter von Kolumba, freimütig gesteht, dass die eigene Sammlung kein unerschöpflicher Quell der Freude und der Hoffnung ist. | Das Leiden Christi dominiert nun einmal die katholische Bildwelt, und auch die moderne Kunst ist daran deutlich stärker interessiert als an der in kräftigen Farben ausgemalten himmlischen Erlösung. Und sind die Zeiten nicht ohnehin düster und eher dazu angetan, alle Hoffnung aufzugeben? Stefan Kraus widerspricht da der eigenen Frage vehement: Wer keine Freude spüre, sei vielmehr gar nicht in der Lage, sich der Realität zu stellen. | Im ersten großen Raum von Kolumba erwartet den Besucher eine Wand mit 63 kleineren Arbeiten auf Papier. Stefan Kraus nennt es das „Unterholz“ der Ausstellung, und tatsächlich kriecht und krabbelt es auf diesem Schöpfungspuzzle wild durcheinander: Paul Thek zupft Gänseblümchen, Thomas Rentmeister lässt sich mal mit Mücken und mal mit breiten Hühnern ein, von Stefan Wewerka ist ein Baum zu sehen und von Georg Baumgarten ein ganzes Vogelparadies. Schönheit findet sich in allen Teilen der Natur – man muss darin ja nicht gleich den Garten Eden suchen. | Das Spielerische der Kunst begegnet uns erstmals mit Manos Tsangaris’ „Licht- und Luftmaschine“. Auf dieser Puppenbühne wird der Besucher selbst zum Regisseur, wenn er mit Hilfe einer Fernbedienung Haushaltshandschuhe aufbläst oder Federn im Lufthauch tanzen lässt. Ein paar Stufen weiter zeigt sich an den glasierten Terrakotta- Skulpturen von Heinz Breloh die Lust am Material: Die abstrakten Gebilde wirken ungemein vital, so als hätte der Bildhauer der Erde gerade Leben eingehaucht. So wiederholt die Kunst das Glück der Schöpfung, indem sie selbst schöpferisch wird. | Lebendig wirkt auch das zentrale Werk der Ausstellung: Bernhard Leitners „Serpentinata“, eine atmende Kreatur aus PVC-Schläuchen und 48 Lautsprechern. Die Luft scheint durch das haushohe Geflecht zu rasseln und zu rauschen – je nachdem, wo man sich befindet, verändert sich der Klang und mit ihm der Raum. Zwischen den Schläuchen wird der Blick frei auf ein elfenbeinernes Kruzifix aus dem 12. Jahrhundert oder auch auf einen anderen Wanderer zwischen den Welten. Michael Buthes aus Blech, Holz, Zweigen und Kleidungsstoffen gebildete Figur lehnt erschöpft an der Wand – was uns vielleicht an eine Vogelscheuche erinnert, ist tatsächlich das bewegende Bild des Kreatürlichen.| So reihen sich die Hoffnungszeichen in bunter, meist anregender Weise aneinander: Die volkstümlichen Gnadenbilder aus Peru, das lustvolle Rot auf einem wandhohen Gemälde von Peter Tollens, natürlich Stefan Lochners Veilchenmadonna mit Blick auf den Kölner Dom und die experimentellen Künstlerbücher von Robert Filiou, Daniel Spoerri, Marcel Broodthaers oder Oskar Schlemmer. In ihnen verbindet sich das Spielerische mit dem Philosophischem – weshalb hier das berühmte, in Köln verlegte Fragenbuch des Schweizer Künstlerduos Peter Fischli & David Weiss nicht fehlen darf. Immer Donnerstags während des Universitätssemesters wird es in Kolumba ein philosophisches Gespräch zu ausgewählten Fragen geben – die größte von allen ziert den Buchdeckel: Findet mich das Glück? | Die Pointe dieser philosophisch-verschmitzten Fragen ist natürlich, dass die Antworten allein in uns liegen – und einen das Glück vielleicht gerade dann erwischt, wenn man es am wenigsten erwartet. So ist es ja auch mit der Kunst: Man tritt vor ein Werk, und dann lässt es einen sein Leben lang nicht mehr los. Hat man Glück, liegt es in der Sammlung eines öffentlichen Museums, und man kann immer wieder zu ihm zurückkehren wie der Gläubige zum Kruzifix in seiner Kirche. Dieser stillen Andacht vor der Kunst ist man nirgendwo näher als in Kolumba – es wurde genau dafür gebaut. | Allerdings merkt man „Playing by Heart“ doch an, dass die katholischen Freudenquelle nicht ganz so ergiebig sprudelt – und die moderne Kunst in der Sammlung des Kölner Erzbistums nicht alles ausgleichen kann. Aber sollen wir dem Christuskind deswegen unser Herz verschließen? Das ginge dann wohl doch zu weit. (Michael Kohler, Findet mich das Glück?, Kölner Stadt-Anzeiger, 13.9.14)

»Das ist typisch für diesen großen katholischen Kulturraum: Die Menschen wollen nicht nur Kunst beim Kirchenbesuch sehen, sondern auch zu Hause hängen haben. Und es ist ja auch so: Die guten und die besten Künstler sind immer in Köln geblieben. Polemisch habe ich einmal behauptet: Nach Berlin gehen nur die Erfolglosen – weil die hoffen, dass ihnen die Hauptstadt zum Erfolg verhelfen könnte. Das Museum Kolumba, das von Stefan Kraus geführt wird, liebe ich in Köln besonders. Da wurden einmal die Werke von Jürgen Klauke und die Prunkgewänder von Kardinal Frings zusammengebracht. Das war irre. Der Klauke wurde (oder besser: war dort) katholisch, obwohl er es gar nicht gewollt hatte.« (Joachim Blüher, Erfolglose gehen nach Berlin, in: KSTA, 12.7.14)

»Unter den Instrumenten gilt sie als Ulknudel. Spätestens seit Jack Lemmon in Frauenkleidern an der Seite von Marilyn Monroe mit einer Ukulele durch Billy Wilders Komödie „Some Like It Hot“ hetzte, hat das kleine Zupfinstrument ein Image von Witz und Unernst. Und weil es gerne in Kindergärten zum Einsatz gelangt, halten es manche für ein Spielzeuginstrument oder eine Kindergitarre. Doch sofern es noch des Nachweises bedurfte, dass die Ukulele in all ihren verschiedenen Spielarten und Bauweisen ein vollgültiges Konzertinstrument ist, das auch für zeitgenössische Musik taugt, so hat diesen Beweis nun der Kölner Komponist Albrecht Zummach erbracht: Zum einen mit der Gründung des „Cologne Contemporary Ukulele Ensemble“; zum anderen mit seinem von dieser Formation in deren Gründungskonzert uraufgeführten Stück „Qs“, bei dem es den winzigen Instrumenten spielend gelang, die weiten Räume des Kunstmuseums Kolumba mit Klang zu füllen.
Gleich zu Beginn schickte eine Ukulele starke Schläge wie Echolote in den Raum, die dort als vieltönige Resonanzen verzitterten. Desgleichen geschah mit zarten Arpeggien. In jeweils verschiedenen Ausstellungsräumen platziert, kamen die Klänge der insgesamt fünf Ukulelen von allen Seiten im zentralen Raum des Obergeschosses zu einem zauberhaften Raumklang-Erlebnis zusammen – sehr zur Begeisterung des Publikums. Tatsächlich spielte der Raum des Museums den entscheidenden siebten Part neben einer zusätzlichen Bass-Kalimba, die zwischen dem hohen Zirpen für tiefere, teils regelrecht dröhnende Frequenzen sorgt. Immerhin hatte das Ukulelen-Ensemble „CQ“ zuvor Effekte vor Ort ausprobiert und Albrecht Zummach – selber Gitarrist und langjähriger Vorstand der Kölner Gesellschaft für Neue Musik – sein Stück eigens für diesen Raum komponiert. Die Klänge kommunizierten über weite Distanzen, verschlankten zu ausgedehnten Soli oder verschmolzen zu pulsierenden Klangflächen. Immer wieder blitzte auch die Herkunft des Instruments aus der Unterhaltungsmusik auf. Stellenweise groovte und swingte die Musik, erklangen Tanzrhythmen und hawaiianische Wohlklänge. Und bevor sich die sechs Musiker zum gemeinsamen Abschluss verbanden, entrückten sie die Hörerinnen und Hörer mit einer wunderschönen Barkarole in ferne Traumsphären unter leuchtendem Südsee-Sternenhimmel. (Rainer Nonnenmann, Wie man sich Südseeträume erzupfen kann. Neue Musik In Köln hat sich das Cologne Contemporary Ukulele Ensemble gegründet).

»Es ist das jüngste und gleichzeitig mit dem Wallraf das älteste Museum der Stadt: 1853 wurde das Erzbischöfliche Diözesanmuseum in Köln gegründet, seit dem Umzug 2007 in den vom Schweizer Architekten Peter Zumthor entworfenen Neubau heißt es einfach nur Kolumba. Jetzt ist das Kunstmuseum des Erzbistums Köln von der deutschen Sektion des Internationalen Kunstkritikerverbands (Aica) zum Museum des Jahres 2013 ernannt worden. Die Aica lobt die „hervorragende Architektur“ von Kolumba, die „qualitätvolle Sammlung, die den Bogen zwischen alter und zeitgenössischer Kunst spannt“ und die wechselnden Ausstellungen, in denen auch Künstler gezeigt würden, „die gemeinhin wenig Medieninteresse gewinnen“. An dieser Stelle bleibt uns nichts weiter übrig, als den Sachverstand der deutschen Aica-Sektion neidlos anzuerkennen. Denn während die Architektur von Kolumba mittlerweile vielfach ausgezeichnet wurde – zuletzt mit der Großen Nike des Bundesverbands Deutscher Architekten – ist das Ausstellungskonzept des Hauses bislang nicht seiner Bedeutung entsprechend gewürdigt worden. Die anziehende Unnahbarkeit, die Zumthors Bau zur Stadt ausstrahlt, setzt sich im Inneren mit einer nicht nur in deutschen Kunstmuseen einzigartigen Inszenierung fort. Das Kolumba verzichtet auf Tafeln und Erklärungen und lässt sowohl Kunstwerke als auch sakrale Gegenstände für sich stehen – gerade in ihrer Rätselhaftigkeit.
Das größte Wagnis von Kolumba liegt darin, in jährlich wechselnden Ausstellungen moderne Kunst und sakrale Objekte ins Gespräch zu bringen. Dabei zeigt sich nicht nur die erstaunliche Qualität und Bandbreite der bischöflichen Sammlung, sondern auch die konzeptionelle Offenheit von Kolumba. So spannt sich in der aktuellen Jahresausstellung „zeigen verhüllen verbergen“ der Bogen vom Dreikönigsschrein bis zu Schreibmaschinen und Radioempfängern, deren äußere Gestalt die in ihr verborgenen Technik magisch aufladen soll. Auch Profanes bekommt in Kolumba etwas Auratisches – dafür sorgt die Lichtdramaturgie, die einzelne Gegenstände in der Dunkelheit zum Leuchten bringt. So weit, der modernen Kunst einen Heiligenschein aufzusetzen, gehen die Kuratoren aber nicht. „Mit der Auszeichnung haben wir nicht gerechnet“, sagte Stefan Kraus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Kraus leitet das Museum seit 2008, an dessen Konzeption ist er seit den frühen 90er Jahren beteiligt. „Man darf bei der Auszeichnung nicht vergessen“, so Kraus, „dass es ein langer Weg mit vielen kleinen Detailentscheidungen zu Kolumba war.“ Am Anfang war das Kunstmuseum des Erzbistums Köln eine Idee ohne Haus, was auch sein Gutes hatte, denn so konnte sich Kolumba als Einheit aus Architektur, Sammlung und Ausstellungskonzept entwickeln. „In 17 Jahren, davon zehn unter Mitwirkung des Architekten“, sagte Kraus, „entstand ein Konzept, das wir jedes Jahr von Neuem auf den Prüfstand stellen.“ Tatsächlich ist jede Jahresausstellung in Kolumba eine kunstvolle Probe auf den Museumsbau von Zumthor. Dieser blieb übrigens nach fünfjähriger Bauzeit mit Kosten von 43,5 Millionen Euro annähernd im kalkulierten Rahmen. „Wir freuen uns sehr über die Auszeichnung“, so Kraus, „bleiben aber auf dem Boden.“ (Michael Kohler, Einheit aus Sammlung und Architektur. Kunstkritiker küren Kolumba in Köln zum Museum des Jahres, KSTA,

»Ein anderes Beispiel für „Schöner Bauen“ sind die neuen, erst vor wenigen Monaten fertig gestellten Verwaltungsgebäude des Bistums Rottenburg-Stuttgart samt renoviertem Bischofspalais. Kosten hierfür: 40 Millionen Euro. In Erinnerung ist auch das Kunstmuseum des Erzbistums Köln „Kolumba“. Der Bau des Schweizer Stararchitekten Peter Zumthor, 2007 vollendet, schlug mit weit mehr als 40 Millionen Euro zu Buche – in einer Zeit, in der den Pfarrgemeinden selbst im reichen Erzbistum Köln Sparauflagen gemacht und kirchliche Immobilien abgegeben werden mussten. Solche Beispiele rufen die wenigen verbliebenen Tebartz-Unterstützer zur Entlastung auf und folgern, der Limburger Bischof werde ungerechterweise „verfolgt“ oder gar von Mitbrüdern im Stich gelassen, die nicht selber Zielscheibe ähnlicher Attacken werden wollten. Der große Unterschied all dieser Bauvorhaben: Die Finanzierung war transparent, geprüft und genehmigt. Und anders als die mehrere Millionen teure Privatwohnung des Limburger Bischofs steht ein Baukomplex wie „Kolumba“ der Öffentlichkeit zur Verfügung und ist als städtebauliches Juwel eine Bereicherung Kölns. (Dem Bischof nur das Beste, Kölner Stadt-Anzeiger, 14.10.2013)

»Insgesamt bleibt die neue Jahresausstellung nicht nur hinter den beiden letzten, ganz vorzüglichen Schauen zu Liturgie und Eucharistie, sondern auch hinter den eigenen Ansprüchen zurück. ... Eine 'Große Meditation von Alexej von Jawlensky steht für die Zeit der Klassischen Moderne, in der die Maler begannen, Geistiges darzustellen, indem sie alles Gegenständliche von ihren Leinwänden verbannten. Dieser Tradition folgen auch Raimund Girkes Papierarbeiten, auf denen der 202 verstorbene Kölner Künstler die Welt im Moment ihres Verschwindens festzuhalten scheint, und Rudolf de Crignis, wenn er die Farbe seiner tiefblauen Gemälde beinahe wie den Geist über den Wassern schweben lässt. Eine schöne Entdeckung sind die extrem vereinfachten Bilder der amerikanischen Malerin Max Cole. Sie beschränkt sich auf die Unfarben Schwarz und Weiß und bei den Motiven auf simple Streifenmuster. Auch diese verhüllen etwas, das wir nicht sehen können. Wie ein Vorhang, hinter dem das Theater des Glaubens spielt.« (Michael Kohler, Du sollst dir ein Bildnis machen. Verbergen, um zu überhöhen: Kolumba zeigt eine Ausstellung zum Unsichtbaren, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 14.9.2013)

»Die Wunden bluten noch, als der vom Kreuz herabgestiegene Heiland die Trauben mit den bloßen Füßen tritt. Er steht gebeugt in der Kelter, die sich wie ein Schraubstock um ihn schließt. Der so gewonnene Traubensaft rinnt durch eine Aussparung im Holz und zieht sich als wundersame Blutspur zu den sieben kirchlichen Sakramenten: Taufe, Firmung, Beichte, Ehe, Krankensalbung, Priesterweihe und natürlich das Abendmahl. Dieser Leidensspiegel von 1410–1420 wirkt etwas ungelenk – kein Meister hat sich hier verewigt, sondern der fromme Wunsch, ein Wunder zu erklären. Seit Jahrhunderten steht die Eucharistie, also der heilige Ritus des Abendmahls, im Zentrum des katholischen Glaubens. Beinahe genauso lange haben sich Gläubige an ihrer wörtlichen Auslegung gestört: Kann es sein, dass sich im Augenblick der Kommunion Brot (oder Hostie) und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandeln? Mitte des 11. Jahrhunderts maß der Gelehrte Berengar von Tours den katholischen Wunderglauben an der Vernunft und schlug zum Entsetzen des Klerus vor, die Wandlung nicht als Realität, sondern als symbolisches Zeichen für die Anwesenheit Gottes unter den Gläubigen zu deuten. Er musste widerrufen und feierlich darauf schwören, dass der Leib Christi „von den Zähnen der Gläubigen zermahlen wird“. Der „Menschenfresserei“, die Berengar beklagte, widmet Kolumba, das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, nun eine Sonderausstellung mit 38 seltenen Leihgaben und sakralen Werken aus der eigenen Sammlung. Anlässlich des Eucharistischen Kongresses, der vom 5. bis 9. Juni in Köln abgehalten wird, haben die Kuratoren die Sonderschau mit der Jahresausstellung „Art is Liturgy“ verzahnt und präsentieren die wertvollen Manuskripte, Tafelbilder und Reliquien als Mittelpunkt der katholischen Liturgie. So fügt sich die Eucharistie-Schau überzeugend in die Gesamtheit der Kolumba-Räume ein; der Thomas von Aquin entliehene Ausstellungstitel „Trotz Natur und Augenschein“ verdeutlicht zudem, dass die Wandlung in der katholischen Lehre weiterhin die Soll-bruchstelle zwischen Glauben und Vernunft markiert. Im Mittelalter war die Eucharistie ein kirchenpolitisches Projekt: Sie wurde herangezogen, um die Trennung von Byzanz zu erklären – dort wurde ungesäuertes Brot zum Abendmahl gereicht –, und sie sollte die Macht des Klerus stärken, in dessen Händen sich das Wunder vollzog. Die Überzahl der in Kolumba gezeigten Tafelbilder und Zeichnungen hatte daher belehrenden und mahnenden Charakter und diente dazu, den Weg des Wunders nachzuzeichnen. So zeigt ein Bild aus der Mettener Armenbibel (1414–15) den geöffneten Himmel mit Gottvater und Engelscharen; Christus ist aus diesem herabgestiegen und bezeugt durch seine Anwesenheit die Wandlung. Zur Sicherheit wird die Darstellung von Heiligen- und Gelehrtenporträts gesäumt, die sich als Kronzeugen betätigen. Die Beliebtheit des Eucharistie-Motivs lässt sich teilweise auch aus künstlerischen Erwägungen erklären: So wie sich beim Abendmahl irdische Stoffe in heilige Substanz verwandeln soll, mussten die Maler ihre Farben in Abbilder einer vergangenen oder gegenwärtigen Realität verwandeln – wobei die Darstellung religiöser Motive ohnehin nach einer höheren Wirklichkeit verlangte. Heute ist die Eucharistie ein Alleinstellungsmerkmal der katholischen Kirche, die darin das Geheimnis ihres Glaubens feiert. Es ist ein Geheimnis, das sich der Vernunft versagt, um im Glauben festeren Halt zu finden. (Michael Kohler, Kolumba zeigt den Weg des Wunders, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 30.5.2013)

»Im 19. Jahrhundert zog eine wahre Prozession an Museumsdirektoren durch Italien, um unter dem anschwellenden Protest der Einheimischen Kirchen und Kapellen leerzukaufen. Auf diesen Beutezügen begnügten sie sich jedoch nicht damit, für den Gottesdienst geschaffene Kunstwerke in weltliche Räume zu entführen. Sie ließen auch die religiöse Metaphorik mitgehen, von der die katholische Kirche Jahrhunderte lang geglaubt hatte, sie könne außerhalb ihrer Portale nicht gedeihen. Heute spricht man jedoch ganz selbstverständlich davon, dass Gemälde und Skulpturen im Museum zum Kunstwerk geweiht werden, und wenn eine außergewöhnliche Leihgabe ihr Ziel erreicht, wird sie von den Kuratoren nicht selten wie eine wundertätige Reliquie in Empfang genommen. In der Kunstwelt haben die kirchlichen Rituale den Glauben überlebt, was dem Motto der 6. Jahresausstellung in Kolumba „Kunst ist Liturgie“ eine besondere Pointe verleiht. Schließlich ist die Andacht, zu der im Kölner Diözesanmuseum zwischen gesegneten und profanen Werken eingeladen wird, zuallererst religiöser Natur. Jedes Jahr im September arrangiert das Kolumba die eigene Sammlung neu und holt bislang Verborgenes aus den kirchlichen Depots. Für die 6. Jahresausstellung haben die Kuratoren mit dem Werk des US-Künstlers Paul Thek (1933–1988) einen besonderen Schatz gehoben: Der Maler, Zeichner und Bildhauer verwandelte Kunsträume in Bühnen, auf denen sich moderne Schocks und religiöse Symbole gegenseitig überhöhen. Seine „Prozession für den künstlerischen Fortschritt“ ist mit aus Wachs geformten Fleischklumpen dekoriert und feiert die Wandlung des Geistes in Fleisch und wieder zurück. Es gibt wahrlich schlechtere Kandidaten, um die Moderne in den Schoß der Kirchenkunst zurückzuholen: Für Theks „Prozession“ sind die Kuratoren nicht nur von ihrem Grundsatz abgewichen, keine Leihgaben ins Haus zu bringen – ein Stuhl aus dem Kölner Museum Ludwig ergänzt die eigenen Bestände –, sie haben für sie auch das sonst dem Kirchenschatz von Sankt Kolumba vorbehaltene Armarium freigeräumt. Es ist gute Kolumba-Tradition, sakrale Gegenstände und moderne Kunst kommentarlos nebeneinanderzustellen und zwanglos miteinander ins Gespräch zu bringen. Dieses dialogische Ausstellungsprinzip haben die Kuratoren dieses Mal um die Formel „Paul Thek und die Anderen“ erweitert – so lautet der zweite Teil des Ausstellungstitels. Die Anderen, das sind moderne Künstler wie August Macke, Oskar Schlemmer, Jürgen Klauke, Krimhild Becker oder Rebecca Horn. Sie alle machen liturgische Kunst in dem Sinne, dass sie einen Raum durch Handlungen oder Objekte erst mit höherer Bedeutung füllen. Was auf religiöse Zeremonien und Riten zutrifft, passt auch auf Installationen und Happenings.
Auch in dieser Hinsicht führt Paul Thek die Prozession der modernen Künstler an. Er walkt das Fleisch der Wesensverwandlung und stellt sich immer wieder als lebensgroßer Latex-„Fishman“ dar – halb Menschenfischer, halb selbst gefischter Mensch. Rebecca Horn tritt in einigen Videos hingegen als mythisches Wesen in verschiedenen Gestalten auf: mal mit Flügeln wie ein Schmetterling, mal mit Krallenarmen einen leeren Raum durchschreitend. Ihre in Köln zum ersten Mal gezeigten Arbeiten auf Papier messen das Menschenmögliche aus: Die abstrakten Striche und Linien ergeben Muster, so weit Horns Arme reichen, und bilden ihren Körperradius wie ein bunt gefiederter Schatten ab. Für diesen Höhepunkt der Schau wurde das Kolumba ein zweites Mal seinem Vorsatz untreu: Die Papierarbeiten sind Leihgaben der Künstlerin – das Kolumba hofft, über die Dauer der Jahresausstellung hinaus. Eine besondere Überraschung sind die geheimen Türen, die sich im Kolumba in die Sonderbund-Ausstellung des Kölner Wallraf-Richartz-Museum öffnen. So ist von Walter Ophey, einem der Begründer des Sonderbundes, eine herrliche „Dorfkirche“ zu sehen, die in schmelzenden Farben aus einer Berglandschaft herauszuwachsen scheint; in die farbig geringelte Sonne ist ein Guckloch in die Ewigkeit gebohrt. In Raum 11 führt hingegen ein Geheimgang in die Kapelle, die in die Mitte der Sonderbund-Ausstellung von 1912 eingebaut war. Für sie hatte Johan Thorn-Prikker drei moderne Chorfenster geliefert, deren Entwürfe nun das Kolumba zeigt. Die innige Verwandtschaft von Kunst und Religion spürt man im Kolumba stärker als an jedem anderen Ort. Deswegen ist es recht und billig, dass sich die Kirche hier zurückzuholen versucht, was einmal das Ihre war. Ihr Beutezug durch die Kapellen der Kunstmoderne ist zwar mangels größerer Finanzreserven zum Scheitern verurteilt – aber stets anregend, erhebend und aufschlussreich.« (Michael Kohler, Eine Symbiose aus Kunst udn Religion, KSTA, 15.9.2012)

»Faszinierende Hörerlebnisse bereitete dagegen Cages-Raum-Klang Konzertinstallation 'A Collection of Rocks' mit dem Projektensemble der Kölner Gesellschaft für Neue Musik im Kunstmuseum Kolumba. Dank Verteilung der Musiker auf die Ausstellungsräume überlagerten sich lange Liegetöne aus nah und fern zu einem farblich-räumlich changierenden Klangband, das sich vom Publikum individuell erwandern ließ." (Rainer Nonnenmann, Breites Publikum für Neue Musik, in: KSTA, 8.5.2012)

„Die reine Vernunft ist als reine Vernunft ungenießbar“ steht in schwarzen Großbuchstaben auf der Legende im unteren Treppengang. Man stolpert vergnügt im neu bestückten Kolumba über die Fotoarbeit des kürzlich verstorbenen Kölners Bernhard Johannes Blume, eine Parodie auf Kants Hauptwerk „Kritik der Reinen Vernunft“. Die Demonstration der Unvereinbarkeit von Kopf und Bauch könnte nicht komischer ausfallen, zumal die dem Text angehängten Fotografien den Künstler beim Verspeisen sperriger Holzquader zeigen. Eine Ansammlung von „Kopfgeburten“ sei nicht zu erwarten, beschwichtigte Museumsdirektor Stefan Kraus, auch wenn dem Denken die Kontemplation vorangehen sollte. In Zeiten permanenter Reizüberflutung ohnehin ein schwieriges Unterfangen, sei die Einbindung von Emotion unerlässlich. Eine Maxime, die auch im fünften Jahr für lehrreiche Konstellationen sorgt. „Denken“, der diesjährige Titel des „Museum auf Zeit“, ist einer Arbeit von Thomas Lehnerer im ersten Geschoss entnommen. Roh konturierte Bronzefiguren teilen sich den Platz in der Vitrine mit einer tibetischen Opferschale. Während die Schädelkalotte die Reflexion in den Kontext philosophischer und religiöser Fragen stellt, verweisen die Plastiken auf die formende Hand des Bildhauers, nach Lehnerer „unser intelligentestes Werkzeug“. Der Blick in das Atelier des ohne Worte auskommenden Künstlers zieht sich wie ein roter Faden durch die Stockwerke. Für wohlige Entschleunigung sorgt in dem kleinen Kinoraum nebenan der Film „Zeichnen“ von Monika Bartholomé. Eine halbe Stunde lang lässt sich der Prozess der Gestaltfindung in kleinsten Schritten des über das Papier gleitenden Bleistifts nachvollziehen. Auf die „ars memorandi“, die Kunst der Erinnerung, zielt Raum 6 mit einem Blockbuch von 1470 aus der Sammlung Renate König. Weltweit existieren nur zwei Exemplare des mit grafisch kunstvollen Holzschnitten verzierten Schmuckstücks aus der Frühzeit des Buchdrucks. Einzelne Piktogramme erleichtern das Abspeichern des ausufernden Bibelinhalts und tragen zudem dazu bei, mit Symbolen wie dem Löwen, der für Auferstehung und das Evangelium nach Markus steht, das Gedächtnis zu trainieren. Die Lust am Zeichencharakter findet sich auch in der „Steinzeitgeometrie“ der Kölnerin Rune Mields. Ihre esoterisch angehauchte Werkreihe aus den 80er Jahren zieht den Bogen von rätselhaft auf Leinwand und Tuschezeichnungen reduzierten Mustern aus der Steinzeit bis zu kosmischen Befragungen, die sich wie ein fernes Echo in dem Schmuckfußboden aus der Pfarrkirche St. Pankratius in Oberpleis spiegeln. Die den Kosmos abbildenden Steinplatten aus dem frühen 13. Jahrhundert beinhalten ein ganzes Wissensarchiv, das Informationen über Jahreszeiten, Elemente, Krankheiten und ferne Weltgegenden in sich trägt. Von dieser enzyklopädischen Fülle ist der Weg nicht weit zu einer freilich weniger exklusiven Vermittlung des Wissens durch das Buch. Mit Standbildern aus seiner „Bibliothek im Eis“ läutet Lutz Fritsch mitten im Armarium, das im Mittelalter zur Aufbewahrung von Reliquien und liturgischen Gerätschaften diente, aber auch, wie im Fall der Kolumbakirche, Schriften der Universität beherbergte, die umfangreiche Präsentation des Buchs als Medium künstlerischer Aktivität. Der Kölner Bildhauer beamt Impressionen von der Forschungsstation Neumayer an die Wand. Sie erzählen die bizarre Geschichte einer durch Spenden bestückten und in einem grünen Container inmitten der weißen Ödnis untergebrachten Bibliothek. Als Kontrapunkt drängt sich im zweiten Geschoss eine ganze Armada ausrangierter Schreibmaschinen aus der Sammlung des Malers Werner Schriefers. Es stimmt fast trübsinnig, diese Werkzeuge des Denkens ihrer Funktion beraubt zu sehen. Umso erfreulicher ist die Lebendigkeit der 954 Künstlerbücher aus der Schenkung von Edith und Steffen Missmahl. Das Stimmengewirr, das der Erstpräsentation entsteigt, könnte nicht anregender sein. Seit Ende der 1960er Jahre haben Künstler das Buch als autonomes Ausdrucksvehikel für sich entdeckt. Die Früchte der 40-jährigen Recherche des Sammlerpaars sind beachtlich und geben Größen wie Marcel Broodthaers, Gilbert & George, On Kawara, Martin Kippenberger oder Per Kirkeby die Gelegenheit zu einem solitären Rendezvous. (Alexandra Wach, Lob der Entschleunigung, Kölner Stadt-Anzeiger, 15.9.2011)

»Berühre mich nicht! „Noli me tangere!“ lautet das diesjährige Motto der Neuhängung, die dem Diözesanmuseum des Erzbistums Köln zum mittlerweile vierten Mal eine Plattform bietet, Werke aus der offenbar überquellenden hauseigenen Sammlung zu präsentieren. Der im Johannesevangelium überlieferte Ausspruch, den der auferstandene Jesus an Maria Magdalena richtet, hat kunstgeschichtlich Spuren hinterlassen. Im Kolumba tauchen sie nur vereinzelt auf, im Armarium etwa, der Dunkelkammer und dem Kern des Museums, wo sich der mittelalterliche Schatz befindet. Eine kleine Elfenbeinarbeit spielt hier die Schlüsselszene nach, die kniende Maria Magdalena, die von Jesus zurückgewiesen wird. Die großartig komponierte Ausstellung weist freilich über die physische Darstellung hinaus, impliziert in unterschiedlichen Genres das ganze Spektrum zwischenmenschlicher Begegnungen: den Wunsch nach körperlicher Nähe und auf der anderen Seite Distanz und Zurückweisung, die vielen Grenzen, zu denen auch der Respekt vor dem anderen gehört. Die Architektur von Peter Zumthor scheint kein Verfallsdatum zu kennen, begeistert immer wieder aufs Neue durch ihre Dynamik, die im Zusammenspiel mit dem jeweiligen Kunstwerk für neue Raumerlebnisse sorgt. Ein Stockwerk höher verschiebt der Wechsel zwischen großzügigen Blickachsen, Glaswänden und Saalcharakter die Wahrnehmung. Gleich beim Eintreten begegnet der Besucher der minimalistischen Tonraumskulptur des Österreichers Berhard Leitner. Seine „Pulsierende Stille“ besteht aus zwei von der Decke hängenden Metallplatten und den von außen montierten Lautsprechern. In dem Korridor dazwischen verändert der Körper seinen Aggregatzustand, verwandelt sich zu einer vibrierenden Masse, die keinen Ton nach außen lässt. Abseits dieses physisch fordernden Raumexperiments spenden rechts die traumverlorenen Zeichnungen von Leiko Ikemura Trost. Fast lädt die Ganzheitlichkeit dieser Welt zur Meditation ein, wenn da nicht in einem der Nebenräume der vom Verfall gekennzeichnete „Fishman“ des Amerikaners Paul Thek die Vergänglichkeit alarmierend nah ins Bewusstsein bringen würde. Ein lebensgroßer liegender Körper-Abguss, bedeckt mit Fischabdrücken aus Latex. Die größte Überraschung der Ausstellung verbirgt sich wenige Schritte weiter. An der Türschwelle glaubt man sich noch allein mit dem Kruzifix von 1150 an der Wand. Dann schaut man sich um und trifft auf das surreale Schauspiel einer Wunderkammer. Die Schenkung, eine Installation der kürzlich verstorbenen Kölner Künstlerin Krimhild Becker, müsste mit all ihren über dreißig Jahre angesammelten Kitsch-Schädeln, Plastikskeletten und Todessymbolen eigentlich Schauer auslösen. Doch ganz im Gegenteil - sie macht sprachlos angesichts des lebensbejahenden Nebeneinanders von Natur und Kunst, Ernstem und Heiterem, unterschiedlichen Kulturen und einer Entdeckerfreude, die den gerührten Betrachter nicht mehr los lässt.« (Alexandra Wach, Brutale Berührung, sprachloser Schauer, Kölner Stadt-Anzeiger, 15.9.2010)

»Vorsichtig greifen zwei weiß behandschuhte Hände nach dem dunkelgrünen Kindskopf, heben ihn aus einer der etwa 30 Pappkisten und stellen ihn nach einer Fotovorlage auf ein marmornes Wandbord zwischen allerlei skurrile Dinge, die irgendwie mit dem Tod zu tun haben. Im Nordturm von Kolumba wird ein Atelierraum wieder aufgebaut, den die kürzlich verstorbene Künstlerin Krimhild Becker über 30 Jahre entwickelt hatte und von dem nur engste Freunde wussten. Noch sind die Räume des Diözesanmuseums weitgehend leer, aber bis zum 14. September, dem Fest der Kreuzerhöhung, wird ganz Kolumba neu eingerichtet sein. Wie jedes Jahr. Bestückt nur mit Werken aus der eigenen Sammlung. „Sie ist das unerschöpfliche Potenzial, das es immer wieder neu zu entfalten gilt“, begeistert sich Stefan Kraus, der Leiter des „ästhetischen Labors“, über seinen Fundus. Er liebt diesen Prozess: umgestalten, umordnen, frisch kombinieren, neu interpretieren. Diskutieren. Und während das Leitungsteam im Raum 15 über die mögliche Hängung eines dunkelroten Mariano diskutiert und das Bildobjekt an unterschiedlichen Wandstellen abwechselnd hochhält, schaffen fleißige Helfer eine Ikemura-Skulptur aus dem Kellerdepot, andere „tanzen“ Vitrinenballett mit Schaukästen auf Transportrollen. Der Restaurator sinniert über einen äußerst fragilen Latex-„Fishman“ von Paul Thek, der vorerst auf einem Rolltisch liegt wie in der Pathologie eines Serien-Krimis. Drei Damen reinigen die etwa 150 Steck-Applikationen einer Breloh-Skulptur. Stapelweise Aktstudien wandern ins Südkabinett, weil der schmale Raum den Besucher zwingt, näher dran zu gehen - „im Ostkabinett wären die untergegangen.“ Die Vorstellung im Kopf verändert sich im Raum. „Die fertige Ausstellung ist unser Vorschlag einer Versuchsanordnung, die der Besucher auswertet“, sagt Stefan Kraus und zieht für heute die weißen Stoffhandschuhe aus. Ab nächster Woche ist das Labor wieder geöffnet und jeder kann seinen eigenen Testlauf machen. Nur anfassen ist nicht.« (Stefan Worring, Ein Museum als Labor, Kölner Stadt-Anzeiger, 8.9.2010)


»Hier drinnen in Kolumba zum Beispiel, auf der anderen Seite der Glasscheibe, in Raum 10, scheint eine überdimensionale Tulpe gerade frisch aus dem Boden gebrochen zu sein. Saftig rot leuchtet das organisch geformte Kleid, ein anderes hängt in narzissengelb schräg dahinter. Zu prall scheint die rote Blüte, blaues Innenleben platzt hervor. Die Kleider sind Werke der Kölner Künstlerin Renate Köhler, ebenso wie die Gemälde an der Wand – die eigentlich gar keine Gemälde sind. Was zunächst aussieht wie ein wimmelndes Blumenmeer, in Öl gefasst, besteht auf den zweiten Blick aus winzigen Fäden, von der Künstlerin zum Bild zusammengefügt. Auch das Kleid ist mit Fäden bemalt, die sich wie Adern auf einer Blüte über den Stoff ziehen. Ein Kleidungsstück, ein Gemälde, eine Blume – alles gleichzeitig? „Ein Kleid, das auch ein Bild ist. Oder eine Tulpe, die man anziehen kann", sagt Stefan Kraus, Direktor des Museums. „Die organischen Formen haben sich aus Erfahrungen der Künstlerin in der Malerei entwickelt." (Hannah Schneider, Es flirt und blüht im Museum, KSTA, Beilage 20/21.3.2010)

»Eine Zusammenstellung, die ihrerseits eines gewissen Risikos nicht entbehrt – zumal die inhaltliche Konotation der so unterschiedlichen Exponate nur über ein einziges Wort geschieht: Hinterlassenschaften. Ein Begriff, der einerseits eine Brücke baut zum geistlichen Hintergrund des Diözesanmuseums, der andererseits aber auch ein solcher Allgemeinplatz ist, dass er die Türen in alle Richtungen aufstößt. Genau das ist das Ziel von Museumsdirektor Stefan Kraus und seinem Team, das sich zurzeit über rund 7500 Besucher monatlich
 
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KOLUMBA :: Kritiken :: Kölner Stadt-Anzeiger

»Wenn ein internationaler Tanz-Star wie die Belgierin Anne Teresa De Keersmaeker zum Experimentieren aufgelegt ist, dann ist ein ungewöhnliches Geschenk vorprogrammiert. Mit Grundkonstanten ihrer Handschrift ist stets zu rechnen: Klarheit, Repetition und mathematische Strenge. Am Anfang ihrer Karriere stand die Interpretation minimalistischer Musik eines Steve Reich. Gefolgt sind in den 40 Jahren ihres Schaffens Bach, Schönberg, Weber oder Miles Davis. Ausruhen auf dem Erreichten ist nicht ihr Ding. Sie treibt den Tanz immer weiter hinaus ins nicht bestellte Terrain, etwa in den White Cube eines Museums. | Das Pariser Centre Pompidou, die Londoner Tate oder das New Yorker MoMa dienten ihr bereits als Bühne für eines ihrer Stücke. In diese illustre Gesellschaft reiht sich jetzt das Kölner Kolumba ein. Das Museum des Erzbistums hat für die Tänzer ihrer Compagnie „Rosas“ die Räume geleert und versucht sich mit der Ausstellung: „Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir“ an einem ungewöhnlichen Format. Die acht geplanten Kapitel, die in einer Art Work in Progress zu einem Ganzen wachsen sollen, erstrecken sich über ein ganzes Jahr. | Die medienübergreifenden Beiträge werden sich mit Körperbildern beschäftigen und danach fragen, wie der Blick auf den eigenen Körper für einen erweiterten Kunstbegriff relevant sein kann. | Mit De Keersmaekers eigens für die Architektur von Peter Zumthor entwickelten Arbeit „Dark Red“ zu beginnen erweist sich als ein fulminanter Auftakt. Nicht weniger als über den Zeitraum von einer Woche hat man sich während der regulären Öffnungszeiten im lichtdurchfluteten zweiten Stockwerk die direkte Konfrontation mit dem Publikum vorgenommen. De Keersmaeker hat im Vorfeld gründlich die örtlichen Gegebenheiten studiert, um in dem statischen „Körper des Museums“, wie sie sagt, bewegliche Körper agieren zu lassen und dabei zu erkunden, in welche Zukunft wir in einer existenziellen Krise wie der Corona-Pandemie, die Körpernähe lebensgefährlich erscheinen lässt, gehen wollen. Wer über die fensterlose Treppe in das erste Stockwerk gelangt, bekommt beinahe Flügel, wenn er den Vögeln folgt, die sich in dem schwarz-weißen Kurzfilm von Jan von Ijken zu riesigen Verbänden zusammengeschlossen haben. Neben ihren eigenen Zeichnungen, die De Keersmaekers Notationssystem aus Zirkeln und Ellipsen preisgeben, hat die Choreografin weitere Werke aus der hauseigenen Sammlung ausgewählt, darunter in einem abgedunkelten Kabinett einen Totenschädel aus der Mappe „Der Krieg“ von Otto Dix. Dass gleichzeitig in ihrer persönlichen „Hängung“ der Beatles-Song „Blackbird“ zu hören ist, irritiert zunächst, ist aber mit reichlich politischem Hintersinn platziert. Der Text nimmt Bezug auf die Bürgerrechtsbewegung der USA und die Unruhen im Frühjahr 1968. Außerdem hatte sich Paul McCartney für die Melodie von Johann Sebastian Bach inspirieren lassen, einem der Lieblingskomponisten von De Keersmaeker. | Raus aus dem Schatten, trifft man im zweiten Stockwerk in einer Wandecke zunächst auf Kopien von El Grecos berühmten Apostel-Porträts. Dass nebenan die im Kreis stehenden Tänzer durchsichtige Blusen in just den Kleiderfarben der Apostel tragen, überrascht da nicht weiter. | Schon eher, dass ihre kaum merklichen Bewegungen aus winzigsten Gesten bestehen: einem angehobenen Finger, einem ausgestreckten Bein. Zu den Tonband-Klängen der „Opera per Flauto“ nehmen die Tänzer Posen an, die an die weltentrückte Körpersprache auf den Gemälden erinnern. | Man muss nicht über Stunden vor Ort ausharren, um den Eindruck eines flüchtigen Labors vermittelt zu bekommen. Die Präsenz der Tänzer ist schon nach wenigen Minuten überwältigend. Das sich entwickelnde Geschehen aus nächster Nähe erleben zu dürfen ist beglückend, vorausgesetzt, man kreist mit den „Aposteln“ und schaut ihrem Gleiten von allen Seiten zu – und das ganz ohne die üblichen Demarkationslinien. (Alexandra Wach, Blick auf den eigenen Körper „Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir“ gastiert im Kölner Kolumba, Kölner Stadt-Anzeiger, 15.9.2020)

»Auf dem Sterbebett wird jeder Sünder fromm, sagt man, und für sündhafte Städte wie Köln gilt wohl, was Heinrich Böll bei seiner Heimkehr aus dem Krieg notierte: „Das zerstörte Köln hatte, was das unzerstörte nie gehabt hatte: Größe und Ernst.“ In den Trümmern überlebte zudem eine Madonna, die, stumm, ernst und vergebend, zum Symbol für die Wiederauferstehung der in Schutt und Asche versunkenen Stadt erkoren wurde. Drei Jahre später war Kölle wieder heilig: Anlässlich der 700-Jahr-Feier der Dom-Grundsteinlegung zogen neun Reliquienschreine unter den Augen ausländischer Ehrengäste durch die Stadt. Vielleicht hat Kolumba, das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, all die Jahre auf diesen Tag gewartet. Seit seiner Eröffnung zählte es stur und unbelehrbar das eigene Haus und die „eingekellerte“ Madonna in den Trümmern zu den jährlich wechselnden Ausstellungsstücken, so, als wäre tatsächlich daran zu denken, Haus und Kapelle nach Ausstellungsende ins Regal zu stellen. Jetzt, mit seiner den Aufbrüchen von 1919, 1949 und 1969 gewidmeten Schau, rückt die Stadtheilige der Nachkriegsjahre wieder ins Zentrum von Kolumba – und mit ihr das Fortleben der Religion in der von zwei verheerenden Weltkriegen doch eigentlich endgültig entzauberten Moderne. Am besten betritt man Kolumba also über den Seiteneingang der kölschen Muttergottes. Aber auch wer den profanen Weg nimmt, versteht rasch, warum die religiösen Heilsversprechen nicht nur nicht totzukriegen sind, sondern in düsteren Zeiten besonders hell zu strahlen scheinen. An den Anfang der chronologisch geordneten Ausstellung haben die vier Kolumba-Kuratoren Bilder von Carlo Mense, Conrad Felixmüller und Franz Wilhelm Seiwert gehängt, allesamt ausgewiesene Vertreter der Moderne und als solche nicht unbedingt der Frömmelei verdächtig. Aber auch sie flüchteten sich in den Jahren des Ersten Weltkriegs in die katholische Bilderseligkeit und zeigten Heilige, eine Messe oder Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auf Himmelfahrt. Eigentlich kein Wunder: Auf Bilder des Leids und der Erlösung besaß die Kirche ein Jahrhunderte altes Quasi-Monopol, wie das gleich nebenan abgehaltene „Jüngste Gericht“ des mittelalterlichen Meisters der Ursula-Legende eindrucksvoll beweist. Selbst ein Progressiver wie Seiwert kam nicht um die Einsicht herum, dass kein Mensch so schön leidet wie Jesus am Kreuz – und dass mit diesem Leid die konkrete Utopie einer besseren Welt verbunden ist. Wobei die utopische Hoffnung bei den Modernen weniger aufs Jenseits zielte als auf die aus den Fugen geratene Wirklichkeit. So changiert eine "Dorfkirche" Walther Opheys auf fantastische Weise zwischen Untergang und Neuanfang; die Sonne steht als schwarzes Auge Gottes über einer blutroten Landschaft. Ein ähnlicher„Rückfall“ ins Bewährte findet sich auch in der Zeitenwende von 1949. Am Anfang steht der rekonstruierte Alabastertorso einer im Weltkrieg zerstörten Muttergottes von Jeremias Geisselbrunn, ihnen folgen versehrte Körper wie Gerhard Altenbourgs ergreifender „Ecce homo“ auf angefressenem Packpapier und ein Kruzifix von Ewald Mataré. Sogar die Revolution von 68/69 sagte sich nicht vom Glauben los, sondern deutete die alten christlichen Motive einfach neu. Bei Michael Buthe sind die aus Abfällen zusammengesetzten Heiligen Drei Könige zugleich Abgesandte der Arte povera und Propheten einer Kirche für die Armen. Stefan Kraus, Leiter von Kolumba, entschuldigte sich beinahe dafür, dass die neue Jahresausstellung einen derart starken Anker in der Geschichte hat – und eine beinahe unüberschaubare Fülle an Kunstwerken und Materialien zeigt. Insbesondere die den Zeitenwenden von 1919 und 1949 gewidmeten Räume scheinen dem besenreinen kontemplativen Geist von Kolumba zu spotten. Doch war dies wohl schon immer teilweise ein Missverständnis. Jedenfalls betonte Kraus, dass sein Haus vor allem Unruhe stiften wolle, und zwar in der Gesellschaft wie auch in der Kunstgeschichte.
Tatsächlich scheint unsere dem Gefühl nach katastrophale Gegenwart nach einem neuen Aufbruch zu verlangen – wobei das Neue (was in Kolumba zu beweisen war) durchaus die Züge des Alten tragen darf. In dieser Perspektive sind christliche Motive nicht klerikal, sondern eine Weise, sich dem Menschen, seinem Leid, seinen Hoffnungen und seinen Möglichkeiten, ohne Vorbehalte zuzuwenden. Man kann die erstaunliche Langlebigkeit der religiösen Kunst auch so deuten, dass sie schon immer eine Moderne avant la lettre war. Als Unruhestifter hat sich Kolumba von Anfang an verstanden. Die Kuratoren beharren nicht nur auf der Nähe von moderner Kunst und Religion (was man durchaus skandalös finden kann), sie heben zudem mit Vorliebe moderne Künstler aufs Podest, die in staatlichen Kunstmuseen ein Dasein als Außenseiter fristen (was oftmals der weitaus größere Skandal ist). So macht sich Barbara von Flüe einen Spaß daraus, die Geschichte des 1919 gegründeten Bauhauses „aus der Froschperspektive“, nämlich vornehmlich mit Werken Andor Weiningers zu erzählen, es gibt ein Riesenformat von Norbert Prangenberg zu bestaunen und vom selben Künstler einen Schwarm hingetupfter Schmetterlinge, der „naive“ Erich Bödeker schickte 1969 ein Trio seiner betörenden Betonmenschen auf Mondmission, und sogar das legendäre Klaus-Peter Schnüttger-Webs-Museum des verstorbenen Fotografen Ulrich Tillmann erlebt eine Art Wiederauferstehung. So feiert das Kolumba auch einen Aufbruch zu sich selbst: als Institution, die keine kunsthistorischen Gewissheiten gelten lässt und sich nicht scheut, einen Sessel aus dem Bonner Bundeshaus neben den Schrein des heiligen Albinus zu stellen – oder das erstaunliche Werk eines sechsjährigen Knaben an die Wand zu hängen. Derart viele gute Gründe, fromm zu werden, findet man jedenfalls nicht of am selben Ort. (Michael Kohler, So viele gute Gründe, fromm zu werden. Das Kölner Museum Kolumba widmet sich den Aufbrüchen und Katastrophen des 20. Jahrhunderts, Kölner Stadtanzeiger vom 14./15. September 2019)

»Nachdem Kolumba, das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, sich seit seiner Eröffnung 2007 jährlich zum 14. September jeweils mit einer komplett neuen Ausstellung präsentiert hatte, findet in diesem Jahr erstmals kein Themenwechsel statt. Hintergrund ist jedoch weder Ideenlosigkeit noch mangelnde Leidenschaft: „Wir möchten mit dem deutlichen Zeichen der Verlängerung bewusst machen, in welcher Sackgasse sich das Museumswesen befindet, wenn es nur noch an wechselnden Ausstellungesereignissen gemessen wird“, sagt Direktor Stefan Kraus. Museen seien Speicher, die sammeln, erforschen und vermitteln, keine Event-Locations. Zumal, wenn sie, wie Kolumba, weitgehend mit dem eigenen Bestand arbeiteten. Abgesehen davon, dass der Publikumserfolg der mit dem Römisch-Germanischen Museum entwickelten Ausstellung „Pas de deux“ eine Verlängerung rechtfertige, wolle man auf einen Kulturbetrieb hinweisen, „der nur an seiner Fassade gemessen wird, der ständig personell und finanziell am Limit arbeitet, oft ohne notwendige Ressourcen bilden zu können“. | Das will Kraus allerdings nicht als Kritik am eigenen Träger verstanden wissen. „Kolumba ohne Erzbistum Köln gabe es doch gar nicht.“ Ähnlich wie die Kirche bräuchte und böte Kolumba Rückzugsräume, Nachdenklichkeit, Zeit, Spiritualität – weg von der Betriebsamkeit des Alltags. Aus der Kritik den Rückschluss zu ziehen, man sei gnadenlos unterpersonalisiert und unterfinanziert, sei falsch. „Aber wir dürfen unser Markenzeichen, den jährlichen Wechsel, einmal auslassen, um uns die Zeit zu geben, unsere Hausaufgaben, die ein Museum gemacht haben sollte, wenn es seriös arbeiten will, zu erledigen“. | Und auch „Pas de deux“, die verlängerte Ausstellung, ist im Detail im stetigen Wandel. Während der zwei Wochen, in denen das Museum geschlossen war, wurden Pflege- und Wartungsarbeiten durchgeführt sowie Häng- und Stellproben für zukünftige Ausstellungen vorgenommen. So wurden etwa die fast 600 Exponate umfassende Installation römischer Töpferware und alltäglicher Gefäße der Werk- und Formensammlung von Kolumba einzeln entstaubt, ergänzt und umsortiert. Die Präsentation mit großformatigen Fotos von Anna und Bernhard Blume wirkt dadurch noch dichter. | Auch im Nordturm des Zumthor-Baus gibt es Neues: Der Kölner Maler Heiner Binding reagiert mit zwei Arbeiten auf eine Reihe monumentaler, antiker Grabsteine – ein Ort der Stille, der ergänzt um ein mittelalterliches Reliefs des beweinten Jesus, Raum lässt für Gedanken über Sterben und Tod. | Im Dezember kommt es dann zu einem Gastspiel der Berliner Akademie der Künste, die eine Art interaktives Büro aufbauen wird. Und es wird eine Hommage zum 80. Geburtstag von Attila Kovács geben. Der im vergangenen Jahr verstorbene Ungar hatte über 30 Jahre sein Atelier in Köln. Auch einige Publikationen wurden neu herausgegeben, so eine Beschreibung der Kolumba-Ausgrabung.« (Stefan Worring, "Wir geben uns Zeit, um die Hausaufgaben zu erledigen“, KSTA, 15./16.9.2018)

»Der Tanz geht weiter: Schade eigentlich: Die nächste Jahresausstellung von Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, fällt aus. Damit fehlt der Kölner Kunstszene fraglos eine ihrer größten Attraktionen. Doch die schlechte Nachricht hat einen erfreulichen Kern, denn ab 15. September wird die aktuelle Jahresausstellung „Pas de deux“ um ein Jahr verlängert. Das „Pas de deux“ tanzen Kolumba und das Kölner Römisch-Germanische Museum mit ausgewählten Sammlungsstücken, was man schon deswegen gar nicht oft genug sehen kann, weil das Römisch-Germanische nächstes Jahr saniert wird und auf unbestimmte Zeit in ein Provisorium im Belgischen Haus umzieht.« (Kölner Stadt-Anzeiger, KoM, 10.8.2018)

»"Köln hat die Taschen voll", findet Marcus Trier, Direktor des Römisch-Germanischen Museums, was sich aber auch so gehöre für die einzige deutsche Großstadt mit 2000-jähriger Geschichte. Tatsächlich platzt sein eigenes Haus vor lauter antiken Kulturschätzen aus allen Nähten, was aber nicht der Grund dafür ist, dass es demnächst auf unbestimmte Zeit geschlossen wird. Das liegt eher daran, dass sich die Kölner Taschen auf wundersame Weise leeren, sobald es um die Pflege der städtischen Museen geht. Immerhin sind die Kölner Klingelbeutel noch so gut gefüllt, dass viele römisch-germanische Schätze jetzt in Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, eine vorübergehende Bleibe finden. Unter dem Titel "Pas de deux - Römisch-Germanisches Kolumba" führen beide Häuser Ausstellungsstücke von der Antike über das Mittelalter bis zur Gegenwart zusammen und bringen die Verhältnisse zwischen heidnischem und christlichem Kulturerbe durchaus beschwingt zum Tanzen. Das Prinzip der Ausstellung ist so schlicht wie überzeugend: Jedes Haus öffnet den Kuratoren des anderen die Türen, damit diese nach Herzenslust in der fremden Sammlung stöbern können. Dann setzt man sich zusammen und verkuppelt Objekte, die mehr gemeinsam haben als es die Herkunft zunächst erwarten lässt: ein Augustus-Konterfei mit einem Täuferkopf in der Schale; ein antikes Tiermosaik mit einem modernen Paradiesbild von Norbert Schwontkowski, auf dem die biblische Schlange einer Horde Affen predigt; oder das weltberühmte Diatretglas mit einem Gemäldezyklus von Dieter Krieg. Der gemeinsame Nenner all dieser Paarungen ist die conditio humana, die Frage nach den Bedingungen des menschlichen Lebens. Auch die Römer dachten über den Tod, das Jenseits und das richtige Leben nach, und auch ihren Objekten - oft genug Grabbeigaben - schrieb sich dieses Nachdenken deutlich sichtbar ein. Die Zeitachse der Ausstellung führt nicht nur durch 2000 Jahre Kölner Stadtgeschichte, sondern auch höchst eindrucksvoll durch die Geschichte der menschlichen Suche nach einem höheren Sinn. Es mag dem Geist des Ortes geschuldet sein, dass diese Suche mitunter etwas Karnevaleskes hat. Am Ende der langen Treppe ins zweite Obergeschoss erwarten uns jedenfalls eine Reihe Gesichtsurnen, die dem Tod zu spotten scheinen und auf der gegenüberliegenden Wand von 91 Männerfratzen der Malerin Bénédicte Peyrat gespiegelt werden. Insgesamt ist der Ausstellung eine wohltuende Tendenz zur Archaik eigen: Mal zieht sich diese vom Kölner Schnörkel, einem Markenzeichen antiker Glaskunst, über ein verziertes Gebetbuch bis zur Informel-Malerei Hann Triers. Und ein anderes Mal von tierförmigen Fläschchen über eine gestickte Jagdszene bis zu einem naiven Betonhirsch von Erich Bödecker. Geht es dort um die zeichenhafte Spur des Menschen in der Welt, ist hier das Kreatürliche das Thema - und in beiden Fällen wird aus dem Pas de deux eine weit verzweigte Choreografie der Motive und Bezüge. So schließt die 11. Jahresausstellung von Kolumba wie selbstverständlich an die früheren, thematisch geordneten Schauen an und erweitert den Horizont der eigenen Sammlung zugleich beträchtlich. Spätestens seit der Antike begleiten den Menschen die existenziellen Lebensfragen wie ein Schatten. Wie ein Wunder passen sie allesamt in die großen Taschen Kölns.« (Michael Kohler, Heiden und Christen endlich vereint, KSTA, 14.9.2017)

»Kolumba-Leiter im Interview: Es war eine Gratwanderung von Anfang an
Herr Kraus, Kolumba wird zehn Jahre alt. Warum räumen Sie das Museum zur Jubiläumsfeier an diesem Wochenende aus?
Wir holen damit etwas nach, was wir zur Eröffnung bewusst nicht getan haben, und führen die Qualität der leeren Räume vor. Aber mit dem Zugewinn, dass jeder Besucher, der schon einmal da war, seine eigenen Erfahrungen mit dem Haus, seine Seherlebnisse hinein projizieren kann. Ich hoffe sehr, dass sich das einstellt und die Leute sich erinnern, was Sie an der einen oder anderen Stelle hier gesehen haben. Für ein Haus, das vor allem mit der eigenen Sammlung arbeitet, macht das besonders Sinn, denn die Dinge, die man dort gesehen hat, sind ja nicht weg, sondern gehören nach wie vor zur Sammlung.
Im Grunde ist Kolumba deutlich älter als zehn Jahre, denn die Planungsphase reicht viel weiter zurück. Wie wurde das Museum, was es heute ist?
Das ist tatsächlich eine längere Geschichte, die mit Kardinal Meisner und meinem Vorgänger Joachim Plotzek beginnt. Plotzek hatte das Konzept eines Museums der Nachdenklichkeit schon 1991 vorgedacht, der Impuls für Kolumba ging aber ganz klar von Kardinal Meisner aus. Sein Wunsch war, dass man einen Ort schafft, wo mit den Mitteln eines Kunstmuseums auf zeitgenössische Weise Verkündigung betrieben wird und sich ein Raum für das Christliche, Spirituelle und Transzendente öffnet.
Welche Rolle spielte dabei der Ort, die ehemalige, im Weltkrieg weitgehend zerstörte Kirche St. Kolumba?
Wenn man sich für diesen historischen Ort entscheidet, wenn man die Kirche nicht wieder aufbaut, aber den Ort mit einem Museum tradiert, dann hat man die Möglichkeit, ein Gefäß für menschliche Erfahrungen zu schaffen, die an anderen Orten oft viel zu kurz kommen. Wir wollten einen Raum schaffen, in dem Menschen wieder zu sich selbst kommen können und vielleicht einen Ausgleich für das finden, was ihnen sonst im Leben fehlt. Das war von Anfang an die Gratwanderung, von der wir nicht wussten, ob sie uns gelingt. Aber nach zehn Jahren darf ich vielleicht sagen, dass der Erfolg von Kolumba gerade darauf beruht: Die Menschen erleben Kolumba als besonderen Ort und entdecken, wie wichtig es ist, dass es auch solche Orte gibt.
Sie schöpfen für ihre Jahresausstellungen beinahe ausschließlich aus der eigenen, gar nicht mal so umfangreichen Sammlung. Hat sich dieses Konzept bewährt? Wie weit wird es Sie noch tragen?
Ich habe das nie als besonders große Herausforderung empfunden. Es geht ja gar nicht darum, dass wir jedes Jahr etwas Neues zeigen. Sondern es geht darum, dass wir das Museum als einen Ort vorführen, wo Dinge nicht beliebig ausgestellt werden. Wir versuchen, aus der Notwendigkeit, präzise mit den Dingen umzugehen, eine Tugend zu machen, indem wir jedes Jahr einen Anker setzten und mit einem bestimmten Thema etwas fokussieren. Dann fragen wir uns, mit welchen Objekten unserer Sammlung wir dieses Thema entfalten können. Am schönsten ist es, wenn uns die Werke dabei etwas lehren, was wir vorher gar nicht von ihnen wussten.
Und die Sammlung wächst ja. Nach welchen Maßgaben sammeln Sie?
Das ist das größte Problem von Kolumba. Das Erzbistum stellte das Haus und die Mannschaft, aber uns fehlt ein dem Renommee entsprechender Ankaufsetat, mit dem man die Sammlung auf hohem Niveau mit Marksteinen weiter bringen könnte. Wir haben Förderer, denen wir sehr dankbar sind. Aber gerade im Bereich der Gegenwartskunst sind es nicht genug.
Wobei Kolumba ja nicht unbedingt nach großen Namen strebt, sondern immer auch zu Unrecht übersehene Künstler gefördert hat.
Wir haben immer antizyklisch gesammelt. Als wir Anfang der 90er Jahre Werke von Paul Thek kauften, spielte sein Name in der Kunstwelt überhaupt keine Rolle mehr; den vor wenigen Wochen verstorbenen Maler Hermann Abrell kannte selbst in Köln, seiner Heimatstadt, kaum jemand, als wir ihm vor Jahren, im Alter von 70 Jahren, seine erste Museumsausstellung ausrichteten. Ganz generell schauen wir aber nicht nach günstigen Gelegenheiten, sondern wir suchen nach Künstlern, für die Kunst ein existenzielles Ausdrucksmittel ist.
Sie zeigen sakrale Kirchengegenstände aus dem Mittelalter gemeinsam mit Gegenwartskunst. Geht beides überhaupt zusammen?
Man muss schon sehr aufpassen, dass man die Unterschiede zwischen den Werken nicht einebnet. Aber wenn Kunst ein Medium ist, das existenziell mit dem Menschen zu tun hat, dann ist sie das auch zu allen Zeiten gewesen. Und dann kann man auch versuchen, dieses Existenzielle ungeachtet von Auftragsbestimmung und des früheren Kontextes, den wir ja oft nur erahnen können, miteinander in Verbindung zu bringen. Denken Sie an unseren Christus in der Rast, ein Werk, das im 15. Jahrhundert einen bis dahin nicht dargestellten Teil der Passionsgeschichte illustrierte und in dem viele betroffene Besucher unsere eigene absurde Zeit mit Kriegen und dem dramatischen Leid der Flüchtlinge gespiegelt sehen.
Manchem Kölner erscheint das Museum etwas unnahbar. Dabei machen Sie vieles, um das Publikum auch abseits der großen Jahresausstellungen zu locken.
Wir haben in zehn Jahren allein 30, meist monografische Kabinettausstellungen und Interventionen gezeigt. Wir haben etwa mit der Kölner Oper kooperiert, wir veranstalten Konzerte, Lesungen, Vorträge, Gespräche. Kolumba ist ein Ort, der permanent in Bewegung ist, deswegen räumen wir das Haus zum Jubiläum auch nicht ganz leer, sondern zeigen drei Ausstellungsformate, die anders sind als ein statisches Museum.
Kommen wir zur durchfeuchteten Kolumba-Fassade. Müssen wir uns an den Anblick der eingerüsteten Museumsfront gewöhnen?
Ich fürchte, eine Weile schon. Sie können mir glauben, dass ich nicht glücklich darüber bin. Aber durch diese Maßnahme ist gewährleistet, dass wir unsere Arbeit unbeeinträchtigt weiter führen können. Ich weiß noch, dass diese Fassade in all ihren Details über Jahre hinweg geprüft wurde – und doch diffundiert die Feuchtigkeit seit einigen Jahren allmählich durch die Wand. Wir suchen nach Lösungen, aber wir sind noch nicht so weit. So lange wie wir das Haus geplant haben, so lange werden wir uns jetzt auch damit Zeit lassen, eine Lösung zu finden, die das Haus in dieser Hinsicht verbessert, ohne dabei seine Ästhetik zu beeinträchtigen. Mir fällt dazu immer der tröstliche Spruch des Videokünstlers Nam June Paik ein: „When too perfect, liebe Gott böse.« (Kölner Stadt-Anzeiger, 19.8.2017/ Quelle: http://www.ksta.de/28190598 ©2017)

»Im Anfang war das Wort, und das Wort ward Fleisch – oder doch eher eine grandiose, uferlose und sich selbst nicht selten widersprechende Geschichte? Die Bibel ist schließlich das beste Beispiel dafür, dass jede Überlieferung, jede Kultur, jede menschliche Gemeinschaft mit dem Erzählen beginnt und durch es lebt. Sei es am Lagerfeuer, am Frühstückstisch, in der Kirche oder im Museum. Insofern hat sich Kolumba, das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, viel Zeit gelassen, um vom Erzählen zu erzählen. Aber dieses Atemholen hat sich gelohnt – in seiner neunten Jahresausstellung leuchten die Schätze von Kolumba so hell und klar wie lange nicht mehr. Und nicht nur die: Aus der Kölner Severinskirche kommt mit dem Bilderzyklus „Legende des hl. Severin“ (um 1500) eine Leihgabe ins Haus, die bislang, obwohl so nahe, ein Leben im Verborgenen führte. In Kolumba legt sie als reiche Einführung ins christliche Erzählen einen roten Faden durch die ebenso, nämlich „Der rote Faden – Ordnungen des Erzählens“, betitelte neue Ausstellung. Mit dem Motiv des ordnenden Erzählfadens verbinden die Kuratoren von Kolumba zwei elementare Fragen: Was lässt man weg? Wo schmückt man aus? Bei der Legende des heiligen Severin, deren 20 Bilder sich beinahe durch das gesamte zweite Geschoss schlängeln, ging es vor allem ums Ausschmücken. Vier Jahre arbeitete der Meister der Ursulalegende mit all seiner Kunst daran, einen würdigen Heiligen aus der eher kargen Überlieferung steigen zu lassen – aus dem Bischof wurde ein wundertätiger Jesus-Klon, dessen Gebeine kein gottesfürchtiger Christ in fremder Erde dulden konnte. Das 17. Bild zeigt die Ankunft der Kölner in Bordeaux, dem Sterbeort Severins, wo sie „mit einer großen Menge und Waffengerät“ ganz freundlich um die Herausgabe der heiligen Reliquien bitten. Dass die darob verwirrten Franzosen die Stadttore schlossen und selbst zu den Waffen griffen, gehörte glücklicherweise zu jener Sorte Missverständnisse, die durch den Hinweis auf himmlische Offenbarung und göttliche Fügung friedlich beigelegt werden können – heißt es jedenfalls im Bildertext. Die gute Sache duldet stets die Beigabe von Fiktion, zumal wenn dies mit solcher Kunstfertigkeit wie bei der Figur eines rastenden Christus geschieht. Mit ihm wurde um 1480 eine Lücke der biblischen Passionsgeschichte geschlossen, die damals viele Gläubige umtrieb. Jetzt ruht Christus einsam, ausgemergelt und in Erwartung des nahen Todes im Kolumba von den Strapazen aus. Unerbittlich drücken sich die einzelnen Glieder des Rückgrats durch die Haut: ein Inbild der Kälte und Verzweiflung und zugleich der inneren Einkehr. So rasch, wie es gekommen war, verschwand dieses Motiv allerdings auch wieder aus der christlichen Ikonographie – um stattdessen in Auguste Rodins modernem Denker wiederzukehren. Selbst das, was Nietzsche die notwendigen, uns über unerträgliche Gewissheiten hinwegtröstende Illusionen nannte, unterliegt offenbar der Mode der Zeit. Für diesen Faden durch die Ausstellung haben die Kuratoren vielerorts auf die übliche Gegenüberstellung von Altem und Neuem, sakralen Gegenständen und modernen Kunstwerken verzichtet. Umso eindringlicher wirkt dann der Dialog, den etwa Otto Dix’ Kriegsradierungen mit einem leidenden Christus am Kreuz führen oder die wie Fenster einer Kathedrale arrangierten großformatigen Fotoarbeiten von Anna und Bernhard Blume. Den Schöpfern einer existenziell haltlosen Bilderwelt ist eine Ausstellung in der Ausstellung gewidmet – eine Neuheit im Kolumba-Konzept und zugleich eine herrliche Gelegenheit, das Werk des Künstlerpaares vier Jahre nach Bernhard Blumes Tod endlich wieder in größerem Umfang in seiner Heimatstadt zu sehen. Wie das Ehepaar Blume erzählen auch Keith Haring oder der Videokünstler Marcel Odenbach in sich geschlossene Bildergeschichten. Andere Werke wie Konrad Klaphecks „Die Dämonen des Fortschritts“ setzten das Erzählen in Gang, indem sie uns dazu animieren, das Gesehene vor dem Horizont der Zeitgeschichte einzuordnen. Gleiches gelingt Rebecca Horn mit einem Koffer, der sich an einer Stange wie mit schlagenden Flügeln zur Decke erhebt und doch immer wieder auf halber Höhe zur Erde niedersinkt; im Inneren des Koffers erkennen wir ein zum „Judenstern“ gewirktes rotes Band. Es ist ein bewegender Schluss der Ausstellungserzählung, aber nicht der einzige. Der rote Faden teilt sich und führt in die Turmsäle von Kolumba: Zu Krieg, Vertreibung und Vernichtung; zur haltlosen Blume-Kathedrale; aber auch zur Unterwerfung des Teufels unter die Gnade Gottes beziehungsweise der Klapheck’schen Ironie. Für ein glücklicheres Ende bleibt der Domblick und ein Anfang: die Madonna mit dem Christuskind.« (Michael Kohler, Neue Jahresausstellung in Kolumba mit Blumes, Dix und Haring, Kölner Stadt-Anzeiger, 15.9.20115)

»Heiligenbildchen haben ausgedient. Und das ist gut so, findet der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann, promovierter Kunsthistoriker und vor Jahren Künstlerseelsorger im Erzbistum Köln. Hofmann war am Montag zu Gast in seiner alten Heimat – er amtierte hier bis 2004 als Weihbischof – und hatte ein Geschenk mitgebracht: 90 Original-Zeichnungen der Künstlerin Monika Bartholomé aus dem Gotteslob, dem Gebet- und Gesangbuch der deutschen katholischen Bistümer. Von Mittwoch an sind sie in Kolumba zu sehen, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln. Bartholomé hat das Werk nicht illustriert, sondern eigenständige Arbeiten geschaffen, die gleichberechtigt neben Texten und Liedern stehen. Hofmann betreute das Projekt und holte die Zustimmung der mehr als 30 Bischöfe in Deutschland und Österreich ein – wobei er wohl auch einige Skeptiker überzeugen musste. Bartholomé hat sehr sparsam gearbeitet – mit Linien, die einander begegnen, die sich trennen, die einander stützen und halten oder auch keinerlei Kontakt haben. Gereizt hat sie der Gedanke, nicht für Kunstkenner zu arbeiten, aus dem Kosmos der Kulturschaffenden heraustreten zu können. Das Betrachten einer Zeichnung sei – so Bartholomé bei der Präsentation – ein sehr intimer Moment, der existenzielle Gefühle provozieren könne. Ihre Zeichnungen sind immer auf Mehrdeutigkeit angelegt, erzählt sie, und diese Freiheit ließen ihr auch die Auftraggeber. Es gibt keinen Rückgriff auf bekannte Symbole, auch wenn es den Gläubigen anheimgestellt ist, hier ein Kreuz, dort die Dreieinigkeit zu erkennen. Bischof Hofmann und Stefan Kraus, Direktor des Kolumba, hoffen, dass auch andere Diözesen die Ausstellung einladen. Monika Bartholomé hatte ebenfalls etwas mitgebracht: ihr „Museum für Zeichnung“, für das sie seit Jahren Skizzen, Zeichnungen, Fotografien, Handschriften, Bücher und Postkarten zusammenträgt. Nun hat sich das Museum in einem richtigen Museum „eingenistet“, freut sich Kraus – zumal die Künstlerin Bestände des Hauses integriert hat: Zeichnungen der Leipziger Buchkinder, die von Marienkäfers Geburtstag erzählen und Warteschlangen interpretieren. Für Bartholomé gehören Zeichnungen zum Alltag, die Handschrift ist ein Kulturgut, „ich habe da so ein Sendungsbewusstsein“. Und ihre Botschaft kommt an: Sie zeigt Felsenzeichnungen, Tätowierungen ebenso wie Kritzeleien beim Telefonieren, Maserungen im Holz und Skizzen von Pablo Picasso. Ausgestellt sind Kopien, die angefasst werden dürfen, umräumen wäre ihr nicht so lieb. Denn die Anordnung wirkt nur auf den ersten Blick beliebig, es sind Themenblöcke, die miteinander in Dialog treten. Das kleine Museum im großen ist bis Ende August zu besichtigen, Bartholomé kann sich vorstellen, es später in Technik- oder Designhäusern aufzustellen. Es sei schließlich ein „Denkraum auf Wanderschaft“.« (Susanne Kreitz, Denkraum auf Wanderschaft, Kölner-Stadt-Anzeiger, 13.4.2015)

»Am Anfang steht das niedliche Christuskind am Tor. Es klopft brav an, tritt schüchtern ein und macht es sich im verwaisten herzförmigen Heim gemütlich. Ein paar Bilder später weiß man: Es ist gekommen, um zu bleiben. Im barocken Zeitalter waren solche Andachtsbildchen vom Einzug Christi ins menschliche Herz sehr weit verbreitet – oft fanden sie sich als Lesezeichen im Gebetbuch. In Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, hätte man diese Herz-Jesu-Frömmigkeit allerdings nicht unbedingt erwartet. Zuckerguss, selbst in derart entwaffnende Form gegossen, ist seine Sache eher nicht. | In der neuen, traditionell aus der eigenen Sammlung sakraler Gegenstände und moderner Kunst geschöpften Jahresausstellung ist Kolumba etwas volkstümlicher als gewohnt – weil es das Thema nahelegt. Es geht um Freude und Hoffnung, um das Glück der Schöpfung, die Verwandlung der Materie im Glauben und durch die Kunst und auch, der Ausstellungstitel „Playing by Heart“ deutet es an, um das Spielerische, das uns befreit. Allerdings muss niemand fürchten, dass ein seliges Jubilieren durch das weihevolle Museum hallt. Man begegnet eher einer stillen, aber deswegen vielleicht umso tiefer empfundenen Freude – etwa auf den Zügen der Muttergottes mit Kind aus St. Kolumba, die einem ausnahmsweise schon im Foyer entgegeneilt. | Mit dieser aus dem ersten Stock herabgestiegenen Empfangsdame kann nicht viel schiefgehen – auch wenn Stefan Kraus, Leiter von Kolumba, freimütig gesteht, dass die eigene Sammlung kein unerschöpflicher Quell der Freude und der Hoffnung ist. | Das Leiden Christi dominiert nun einmal die katholische Bildwelt, und auch die moderne Kunst ist daran deutlich stärker interessiert als an der in kräftigen Farben ausgemalten himmlischen Erlösung. Und sind die Zeiten nicht ohnehin düster und eher dazu angetan, alle Hoffnung aufzugeben? Stefan Kraus widerspricht da der eigenen Frage vehement: Wer keine Freude spüre, sei vielmehr gar nicht in der Lage, sich der Realität zu stellen. | Im ersten großen Raum von Kolumba erwartet den Besucher eine Wand mit 63 kleineren Arbeiten auf Papier. Stefan Kraus nennt es das „Unterholz“ der Ausstellung, und tatsächlich kriecht und krabbelt es auf diesem Schöpfungspuzzle wild durcheinander: Paul Thek zupft Gänseblümchen, Thomas Rentmeister lässt sich mal mit Mücken und mal mit breiten Hühnern ein, von Stefan Wewerka ist ein Baum zu sehen und von Georg Baumgarten ein ganzes Vogelparadies. Schönheit findet sich in allen Teilen der Natur – man muss darin ja nicht gleich den Garten Eden suchen. | Das Spielerische der Kunst begegnet uns erstmals mit Manos Tsangaris’ „Licht- und Luftmaschine“. Auf dieser Puppenbühne wird der Besucher selbst zum Regisseur, wenn er mit Hilfe einer Fernbedienung Haushaltshandschuhe aufbläst oder Federn im Lufthauch tanzen lässt. Ein paar Stufen weiter zeigt sich an den glasierten Terrakotta- Skulpturen von Heinz Breloh die Lust am Material: Die abstrakten Gebilde wirken ungemein vital, so als hätte der Bildhauer der Erde gerade Leben eingehaucht. So wiederholt die Kunst das Glück der Schöpfung, indem sie selbst schöpferisch wird. | Lebendig wirkt auch das zentrale Werk der Ausstellung: Bernhard Leitners „Serpentinata“, eine atmende Kreatur aus PVC-Schläuchen und 48 Lautsprechern. Die Luft scheint durch das haushohe Geflecht zu rasseln und zu rauschen – je nachdem, wo man sich befindet, verändert sich der Klang und mit ihm der Raum. Zwischen den Schläuchen wird der Blick frei auf ein elfenbeinernes Kruzifix aus dem 12. Jahrhundert oder auch auf einen anderen Wanderer zwischen den Welten. Michael Buthes aus Blech, Holz, Zweigen und Kleidungsstoffen gebildete Figur lehnt erschöpft an der Wand – was uns vielleicht an eine Vogelscheuche erinnert, ist tatsächlich das bewegende Bild des Kreatürlichen.| So reihen sich die Hoffnungszeichen in bunter, meist anregender Weise aneinander: Die volkstümlichen Gnadenbilder aus Peru, das lustvolle Rot auf einem wandhohen Gemälde von Peter Tollens, natürlich Stefan Lochners Veilchenmadonna mit Blick auf den Kölner Dom und die experimentellen Künstlerbücher von Robert Filiou, Daniel Spoerri, Marcel Broodthaers oder Oskar Schlemmer. In ihnen verbindet sich das Spielerische mit dem Philosophischem – weshalb hier das berühmte, in Köln verlegte Fragenbuch des Schweizer Künstlerduos Peter Fischli & David Weiss nicht fehlen darf. Immer Donnerstags während des Universitätssemesters wird es in Kolumba ein philosophisches Gespräch zu ausgewählten Fragen geben – die größte von allen ziert den Buchdeckel: Findet mich das Glück? | Die Pointe dieser philosophisch-verschmitzten Fragen ist natürlich, dass die Antworten allein in uns liegen – und einen das Glück vielleicht gerade dann erwischt, wenn man es am wenigsten erwartet. So ist es ja auch mit der Kunst: Man tritt vor ein Werk, und dann lässt es einen sein Leben lang nicht mehr los. Hat man Glück, liegt es in der Sammlung eines öffentlichen Museums, und man kann immer wieder zu ihm zurückkehren wie der Gläubige zum Kruzifix in seiner Kirche. Dieser stillen Andacht vor der Kunst ist man nirgendwo näher als in Kolumba – es wurde genau dafür gebaut. | Allerdings merkt man „Playing by Heart“ doch an, dass die katholischen Freudenquelle nicht ganz so ergiebig sprudelt – und die moderne Kunst in der Sammlung des Kölner Erzbistums nicht alles ausgleichen kann. Aber sollen wir dem Christuskind deswegen unser Herz verschließen? Das ginge dann wohl doch zu weit. (Michael Kohler, Findet mich das Glück?, Kölner Stadt-Anzeiger, 13.9.14)

»Das ist typisch für diesen großen katholischen Kulturraum: Die Menschen wollen nicht nur Kunst beim Kirchenbesuch sehen, sondern auch zu Hause hängen haben. Und es ist ja auch so: Die guten und die besten Künstler sind immer in Köln geblieben. Polemisch habe ich einmal behauptet: Nach Berlin gehen nur die Erfolglosen – weil die hoffen, dass ihnen die Hauptstadt zum Erfolg verhelfen könnte. Das Museum Kolumba, das von Stefan Kraus geführt wird, liebe ich in Köln besonders. Da wurden einmal die Werke von Jürgen Klauke und die Prunkgewänder von Kardinal Frings zusammengebracht. Das war irre. Der Klauke wurde (oder besser: war dort) katholisch, obwohl er es gar nicht gewollt hatte.« (Joachim Blüher, Erfolglose gehen nach Berlin, in: KSTA, 12.7.14)

»Unter den Instrumenten gilt sie als Ulknudel. Spätestens seit Jack Lemmon in Frauenkleidern an der Seite von Marilyn Monroe mit einer Ukulele durch Billy Wilders Komödie „Some Like It Hot“ hetzte, hat das kleine Zupfinstrument ein Image von Witz und Unernst. Und weil es gerne in Kindergärten zum Einsatz gelangt, halten es manche für ein Spielzeuginstrument oder eine Kindergitarre. Doch sofern es noch des Nachweises bedurfte, dass die Ukulele in all ihren verschiedenen Spielarten und Bauweisen ein vollgültiges Konzertinstrument ist, das auch für zeitgenössische Musik taugt, so hat diesen Beweis nun der Kölner Komponist Albrecht Zummach erbracht: Zum einen mit der Gründung des „Cologne Contemporary Ukulele Ensemble“; zum anderen mit seinem von dieser Formation in deren Gründungskonzert uraufgeführten Stück „Qs“, bei dem es den winzigen Instrumenten spielend gelang, die weiten Räume des Kunstmuseums Kolumba mit Klang zu füllen.
Gleich zu Beginn schickte eine Ukulele starke Schläge wie Echolote in den Raum, die dort als vieltönige Resonanzen verzitterten. Desgleichen geschah mit zarten Arpeggien. In jeweils verschiedenen Ausstellungsräumen platziert, kamen die Klänge der insgesamt fünf Ukulelen von allen Seiten im zentralen Raum des Obergeschosses zu einem zauberhaften Raumklang-Erlebnis zusammen – sehr zur Begeisterung des Publikums. Tatsächlich spielte der Raum des Museums den entscheidenden siebten Part neben einer zusätzlichen Bass-Kalimba, die zwischen dem hohen Zirpen für tiefere, teils regelrecht dröhnende Frequenzen sorgt. Immerhin hatte das Ukulelen-Ensemble „CQ“ zuvor Effekte vor Ort ausprobiert und Albrecht Zummach – selber Gitarrist und langjähriger Vorstand der Kölner Gesellschaft für Neue Musik – sein Stück eigens für diesen Raum komponiert. Die Klänge kommunizierten über weite Distanzen, verschlankten zu ausgedehnten Soli oder verschmolzen zu pulsierenden Klangflächen. Immer wieder blitzte auch die Herkunft des Instruments aus der Unterhaltungsmusik auf. Stellenweise groovte und swingte die Musik, erklangen Tanzrhythmen und hawaiianische Wohlklänge. Und bevor sich die sechs Musiker zum gemeinsamen Abschluss verbanden, entrückten sie die Hörerinnen und Hörer mit einer wunderschönen Barkarole in ferne Traumsphären unter leuchtendem Südsee-Sternenhimmel. (Rainer Nonnenmann, Wie man sich Südseeträume erzupfen kann. Neue Musik In Köln hat sich das Cologne Contemporary Ukulele Ensemble gegründet).

»Es ist das jüngste und gleichzeitig mit dem Wallraf das älteste Museum der Stadt: 1853 wurde das Erzbischöfliche Diözesanmuseum in Köln gegründet, seit dem Umzug 2007 in den vom Schweizer Architekten Peter Zumthor entworfenen Neubau heißt es einfach nur Kolumba. Jetzt ist das Kunstmuseum des Erzbistums Köln von der deutschen Sektion des Internationalen Kunstkritikerverbands (Aica) zum Museum des Jahres 2013 ernannt worden. Die Aica lobt die „hervorragende Architektur“ von Kolumba, die „qualitätvolle Sammlung, die den Bogen zwischen alter und zeitgenössischer Kunst spannt“ und die wechselnden Ausstellungen, in denen auch Künstler gezeigt würden, „die gemeinhin wenig Medieninteresse gewinnen“. An dieser Stelle bleibt uns nichts weiter übrig, als den Sachverstand der deutschen Aica-Sektion neidlos anzuerkennen. Denn während die Architektur von Kolumba mittlerweile vielfach ausgezeichnet wurde – zuletzt mit der Großen Nike des Bundesverbands Deutscher Architekten – ist das Ausstellungskonzept des Hauses bislang nicht seiner Bedeutung entsprechend gewürdigt worden. Die anziehende Unnahbarkeit, die Zumthors Bau zur Stadt ausstrahlt, setzt sich im Inneren mit einer nicht nur in deutschen Kunstmuseen einzigartigen Inszenierung fort. Das Kolumba verzichtet auf Tafeln und Erklärungen und lässt sowohl Kunstwerke als auch sakrale Gegenstände für sich stehen – gerade in ihrer Rätselhaftigkeit.
Das größte Wagnis von Kolumba liegt darin, in jährlich wechselnden Ausstellungen moderne Kunst und sakrale Objekte ins Gespräch zu bringen. Dabei zeigt sich nicht nur die erstaunliche Qualität und Bandbreite der bischöflichen Sammlung, sondern auch die konzeptionelle Offenheit von Kolumba. So spannt sich in der aktuellen Jahresausstellung „zeigen verhüllen verbergen“ der Bogen vom Dreikönigsschrein bis zu Schreibmaschinen und Radioempfängern, deren äußere Gestalt die in ihr verborgenen Technik magisch aufladen soll. Auch Profanes bekommt in Kolumba etwas Auratisches – dafür sorgt die Lichtdramaturgie, die einzelne Gegenstände in der Dunkelheit zum Leuchten bringt. So weit, der modernen Kunst einen Heiligenschein aufzusetzen, gehen die Kuratoren aber nicht. „Mit der Auszeichnung haben wir nicht gerechnet“, sagte Stefan Kraus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Kraus leitet das Museum seit 2008, an dessen Konzeption ist er seit den frühen 90er Jahren beteiligt. „Man darf bei der Auszeichnung nicht vergessen“, so Kraus, „dass es ein langer Weg mit vielen kleinen Detailentscheidungen zu Kolumba war.“ Am Anfang war das Kunstmuseum des Erzbistums Köln eine Idee ohne Haus, was auch sein Gutes hatte, denn so konnte sich Kolumba als Einheit aus Architektur, Sammlung und Ausstellungskonzept entwickeln. „In 17 Jahren, davon zehn unter Mitwirkung des Architekten“, sagte Kraus, „entstand ein Konzept, das wir jedes Jahr von Neuem auf den Prüfstand stellen.“ Tatsächlich ist jede Jahresausstellung in Kolumba eine kunstvolle Probe auf den Museumsbau von Zumthor. Dieser blieb übrigens nach fünfjähriger Bauzeit mit Kosten von 43,5 Millionen Euro annähernd im kalkulierten Rahmen. „Wir freuen uns sehr über die Auszeichnung“, so Kraus, „bleiben aber auf dem Boden.“ (Michael Kohler, Einheit aus Sammlung und Architektur. Kunstkritiker küren Kolumba in Köln zum Museum des Jahres, KSTA,

»Ein anderes Beispiel für „Schöner Bauen“ sind die neuen, erst vor wenigen Monaten fertig gestellten Verwaltungsgebäude des Bistums Rottenburg-Stuttgart samt renoviertem Bischofspalais. Kosten hierfür: 40 Millionen Euro. In Erinnerung ist auch das Kunstmuseum des Erzbistums Köln „Kolumba“. Der Bau des Schweizer Stararchitekten Peter Zumthor, 2007 vollendet, schlug mit weit mehr als 40 Millionen Euro zu Buche – in einer Zeit, in der den Pfarrgemeinden selbst im reichen Erzbistum Köln Sparauflagen gemacht und kirchliche Immobilien abgegeben werden mussten. Solche Beispiele rufen die wenigen verbliebenen Tebartz-Unterstützer zur Entlastung auf und folgern, der Limburger Bischof werde ungerechterweise „verfolgt“ oder gar von Mitbrüdern im Stich gelassen, die nicht selber Zielscheibe ähnlicher Attacken werden wollten. Der große Unterschied all dieser Bauvorhaben: Die Finanzierung war transparent, geprüft und genehmigt. Und anders als die mehrere Millionen teure Privatwohnung des Limburger Bischofs steht ein Baukomplex wie „Kolumba“ der Öffentlichkeit zur Verfügung und ist als städtebauliches Juwel eine Bereicherung Kölns. (Dem Bischof nur das Beste, Kölner Stadt-Anzeiger, 14.10.2013)

»Insgesamt bleibt die neue Jahresausstellung nicht nur hinter den beiden letzten, ganz vorzüglichen Schauen zu Liturgie und Eucharistie, sondern auch hinter den eigenen Ansprüchen zurück. ... Eine 'Große Meditation von Alexej von Jawlensky steht für die Zeit der Klassischen Moderne, in der die Maler begannen, Geistiges darzustellen, indem sie alles Gegenständliche von ihren Leinwänden verbannten. Dieser Tradition folgen auch Raimund Girkes Papierarbeiten, auf denen der 202 verstorbene Kölner Künstler die Welt im Moment ihres Verschwindens festzuhalten scheint, und Rudolf de Crignis, wenn er die Farbe seiner tiefblauen Gemälde beinahe wie den Geist über den Wassern schweben lässt. Eine schöne Entdeckung sind die extrem vereinfachten Bilder der amerikanischen Malerin Max Cole. Sie beschränkt sich auf die Unfarben Schwarz und Weiß und bei den Motiven auf simple Streifenmuster. Auch diese verhüllen etwas, das wir nicht sehen können. Wie ein Vorhang, hinter dem das Theater des Glaubens spielt.« (Michael Kohler, Du sollst dir ein Bildnis machen. Verbergen, um zu überhöhen: Kolumba zeigt eine Ausstellung zum Unsichtbaren, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 14.9.2013)

»Die Wunden bluten noch, als der vom Kreuz herabgestiegene Heiland die Trauben mit den bloßen Füßen tritt. Er steht gebeugt in der Kelter, die sich wie ein Schraubstock um ihn schließt. Der so gewonnene Traubensaft rinnt durch eine Aussparung im Holz und zieht sich als wundersame Blutspur zu den sieben kirchlichen Sakramenten: Taufe, Firmung, Beichte, Ehe, Krankensalbung, Priesterweihe und natürlich das Abendmahl. Dieser Leidensspiegel von 1410–1420 wirkt etwas ungelenk – kein Meister hat sich hier verewigt, sondern der fromme Wunsch, ein Wunder zu erklären. Seit Jahrhunderten steht die Eucharistie, also der heilige Ritus des Abendmahls, im Zentrum des katholischen Glaubens. Beinahe genauso lange haben sich Gläubige an ihrer wörtlichen Auslegung gestört: Kann es sein, dass sich im Augenblick der Kommunion Brot (oder Hostie) und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandeln? Mitte des 11. Jahrhunderts maß der Gelehrte Berengar von Tours den katholischen Wunderglauben an der Vernunft und schlug zum Entsetzen des Klerus vor, die Wandlung nicht als Realität, sondern als symbolisches Zeichen für die Anwesenheit Gottes unter den Gläubigen zu deuten. Er musste widerrufen und feierlich darauf schwören, dass der Leib Christi „von den Zähnen der Gläubigen zermahlen wird“. Der „Menschenfresserei“, die Berengar beklagte, widmet Kolumba, das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, nun eine Sonderausstellung mit 38 seltenen Leihgaben und sakralen Werken aus der eigenen Sammlung. Anlässlich des Eucharistischen Kongresses, der vom 5. bis 9. Juni in Köln abgehalten wird, haben die Kuratoren die Sonderschau mit der Jahresausstellung „Art is Liturgy“ verzahnt und präsentieren die wertvollen Manuskripte, Tafelbilder und Reliquien als Mittelpunkt der katholischen Liturgie. So fügt sich die Eucharistie-Schau überzeugend in die Gesamtheit der Kolumba-Räume ein; der Thomas von Aquin entliehene Ausstellungstitel „Trotz Natur und Augenschein“ verdeutlicht zudem, dass die Wandlung in der katholischen Lehre weiterhin die Soll-bruchstelle zwischen Glauben und Vernunft markiert. Im Mittelalter war die Eucharistie ein kirchenpolitisches Projekt: Sie wurde herangezogen, um die Trennung von Byzanz zu erklären – dort wurde ungesäuertes Brot zum Abendmahl gereicht –, und sie sollte die Macht des Klerus stärken, in dessen Händen sich das Wunder vollzog. Die Überzahl der in Kolumba gezeigten Tafelbilder und Zeichnungen hatte daher belehrenden und mahnenden Charakter und diente dazu, den Weg des Wunders nachzuzeichnen. So zeigt ein Bild aus der Mettener Armenbibel (1414–15) den geöffneten Himmel mit Gottvater und Engelscharen; Christus ist aus diesem herabgestiegen und bezeugt durch seine Anwesenheit die Wandlung. Zur Sicherheit wird die Darstellung von Heiligen- und Gelehrtenporträts gesäumt, die sich als Kronzeugen betätigen. Die Beliebtheit des Eucharistie-Motivs lässt sich teilweise auch aus künstlerischen Erwägungen erklären: So wie sich beim Abendmahl irdische Stoffe in heilige Substanz verwandeln soll, mussten die Maler ihre Farben in Abbilder einer vergangenen oder gegenwärtigen Realität verwandeln – wobei die Darstellung religiöser Motive ohnehin nach einer höheren Wirklichkeit verlangte. Heute ist die Eucharistie ein Alleinstellungsmerkmal der katholischen Kirche, die darin das Geheimnis ihres Glaubens feiert. Es ist ein Geheimnis, das sich der Vernunft versagt, um im Glauben festeren Halt zu finden. (Michael Kohler, Kolumba zeigt den Weg des Wunders, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 30.5.2013)

»Im 19. Jahrhundert zog eine wahre Prozession an Museumsdirektoren durch Italien, um unter dem anschwellenden Protest der Einheimischen Kirchen und Kapellen leerzukaufen. Auf diesen Beutezügen begnügten sie sich jedoch nicht damit, für den Gottesdienst geschaffene Kunstwerke in weltliche Räume zu entführen. Sie ließen auch die religiöse Metaphorik mitgehen, von der die katholische Kirche Jahrhunderte lang geglaubt hatte, sie könne außerhalb ihrer Portale nicht gedeihen. Heute spricht man jedoch ganz selbstverständlich davon, dass Gemälde und Skulpturen im Museum zum Kunstwerk geweiht werden, und wenn eine außergewöhnliche Leihgabe ihr Ziel erreicht, wird sie von den Kuratoren nicht selten wie eine wundertätige Reliquie in Empfang genommen. In der Kunstwelt haben die kirchlichen Rituale den Glauben überlebt, was dem Motto der 6. Jahresausstellung in Kolumba „Kunst ist Liturgie“ eine besondere Pointe verleiht. Schließlich ist die Andacht, zu der im Kölner Diözesanmuseum zwischen gesegneten und profanen Werken eingeladen wird, zuallererst religiöser Natur. Jedes Jahr im September arrangiert das Kolumba die eigene Sammlung neu und holt bislang Verborgenes aus den kirchlichen Depots. Für die 6. Jahresausstellung haben die Kuratoren mit dem Werk des US-Künstlers Paul Thek (1933–1988) einen besonderen Schatz gehoben: Der Maler, Zeichner und Bildhauer verwandelte Kunsträume in Bühnen, auf denen sich moderne Schocks und religiöse Symbole gegenseitig überhöhen. Seine „Prozession für den künstlerischen Fortschritt“ ist mit aus Wachs geformten Fleischklumpen dekoriert und feiert die Wandlung des Geistes in Fleisch und wieder zurück. Es gibt wahrlich schlechtere Kandidaten, um die Moderne in den Schoß der Kirchenkunst zurückzuholen: Für Theks „Prozession“ sind die Kuratoren nicht nur von ihrem Grundsatz abgewichen, keine Leihgaben ins Haus zu bringen – ein Stuhl aus dem Kölner Museum Ludwig ergänzt die eigenen Bestände –, sie haben für sie auch das sonst dem Kirchenschatz von Sankt Kolumba vorbehaltene Armarium freigeräumt. Es ist gute Kolumba-Tradition, sakrale Gegenstände und moderne Kunst kommentarlos nebeneinanderzustellen und zwanglos miteinander ins Gespräch zu bringen. Dieses dialogische Ausstellungsprinzip haben die Kuratoren dieses Mal um die Formel „Paul Thek und die Anderen“ erweitert – so lautet der zweite Teil des Ausstellungstitels. Die Anderen, das sind moderne Künstler wie August Macke, Oskar Schlemmer, Jürgen Klauke, Krimhild Becker oder Rebecca Horn. Sie alle machen liturgische Kunst in dem Sinne, dass sie einen Raum durch Handlungen oder Objekte erst mit höherer Bedeutung füllen. Was auf religiöse Zeremonien und Riten zutrifft, passt auch auf Installationen und Happenings.
Auch in dieser Hinsicht führt Paul Thek die Prozession der modernen Künstler an. Er walkt das Fleisch der Wesensverwandlung und stellt sich immer wieder als lebensgroßer Latex-„Fishman“ dar – halb Menschenfischer, halb selbst gefischter Mensch. Rebecca Horn tritt in einigen Videos hingegen als mythisches Wesen in verschiedenen Gestalten auf: mal mit Flügeln wie ein Schmetterling, mal mit Krallenarmen einen leeren Raum durchschreitend. Ihre in Köln zum ersten Mal gezeigten Arbeiten auf Papier messen das Menschenmögliche aus: Die abstrakten Striche und Linien ergeben Muster, so weit Horns Arme reichen, und bilden ihren Körperradius wie ein bunt gefiederter Schatten ab. Für diesen Höhepunkt der Schau wurde das Kolumba ein zweites Mal seinem Vorsatz untreu: Die Papierarbeiten sind Leihgaben der Künstlerin – das Kolumba hofft, über die Dauer der Jahresausstellung hinaus. Eine besondere Überraschung sind die geheimen Türen, die sich im Kolumba in die Sonderbund-Ausstellung des Kölner Wallraf-Richartz-Museum öffnen. So ist von Walter Ophey, einem der Begründer des Sonderbundes, eine herrliche „Dorfkirche“ zu sehen, die in schmelzenden Farben aus einer Berglandschaft herauszuwachsen scheint; in die farbig geringelte Sonne ist ein Guckloch in die Ewigkeit gebohrt. In Raum 11 führt hingegen ein Geheimgang in die Kapelle, die in die Mitte der Sonderbund-Ausstellung von 1912 eingebaut war. Für sie hatte Johan Thorn-Prikker drei moderne Chorfenster geliefert, deren Entwürfe nun das Kolumba zeigt. Die innige Verwandtschaft von Kunst und Religion spürt man im Kolumba stärker als an jedem anderen Ort. Deswegen ist es recht und billig, dass sich die Kirche hier zurückzuholen versucht, was einmal das Ihre war. Ihr Beutezug durch die Kapellen der Kunstmoderne ist zwar mangels größerer Finanzreserven zum Scheitern verurteilt – aber stets anregend, erhebend und aufschlussreich.« (Michael Kohler, Eine Symbiose aus Kunst udn Religion, KSTA, 15.9.2012)

»Faszinierende Hörerlebnisse bereitete dagegen Cages-Raum-Klang Konzertinstallation 'A Collection of Rocks' mit dem Projektensemble der Kölner Gesellschaft für Neue Musik im Kunstmuseum Kolumba. Dank Verteilung der Musiker auf die Ausstellungsräume überlagerten sich lange Liegetöne aus nah und fern zu einem farblich-räumlich changierenden Klangband, das sich vom Publikum individuell erwandern ließ." (Rainer Nonnenmann, Breites Publikum für Neue Musik, in: KSTA, 8.5.2012)

„Die reine Vernunft ist als reine Vernunft ungenießbar“ steht in schwarzen Großbuchstaben auf der Legende im unteren Treppengang. Man stolpert vergnügt im neu bestückten Kolumba über die Fotoarbeit des kürzlich verstorbenen Kölners Bernhard Johannes Blume, eine Parodie auf Kants Hauptwerk „Kritik der Reinen Vernunft“. Die Demonstration der Unvereinbarkeit von Kopf und Bauch könnte nicht komischer ausfallen, zumal die dem Text angehängten Fotografien den Künstler beim Verspeisen sperriger Holzquader zeigen. Eine Ansammlung von „Kopfgeburten“ sei nicht zu erwarten, beschwichtigte Museumsdirektor Stefan Kraus, auch wenn dem Denken die Kontemplation vorangehen sollte. In Zeiten permanenter Reizüberflutung ohnehin ein schwieriges Unterfangen, sei die Einbindung von Emotion unerlässlich. Eine Maxime, die auch im fünften Jahr für lehrreiche Konstellationen sorgt. „Denken“, der diesjährige Titel des „Museum auf Zeit“, ist einer Arbeit von Thomas Lehnerer im ersten Geschoss entnommen. Roh konturierte Bronzefiguren teilen sich den Platz in der Vitrine mit einer tibetischen Opferschale. Während die Schädelkalotte die Reflexion in den Kontext philosophischer und religiöser Fragen stellt, verweisen die Plastiken auf die formende Hand des Bildhauers, nach Lehnerer „unser intelligentestes Werkzeug“. Der Blick in das Atelier des ohne Worte auskommenden Künstlers zieht sich wie ein roter Faden durch die Stockwerke. Für wohlige Entschleunigung sorgt in dem kleinen Kinoraum nebenan der Film „Zeichnen“ von Monika Bartholomé. Eine halbe Stunde lang lässt sich der Prozess der Gestaltfindung in kleinsten Schritten des über das Papier gleitenden Bleistifts nachvollziehen. Auf die „ars memorandi“, die Kunst der Erinnerung, zielt Raum 6 mit einem Blockbuch von 1470 aus der Sammlung Renate König. Weltweit existieren nur zwei Exemplare des mit grafisch kunstvollen Holzschnitten verzierten Schmuckstücks aus der Frühzeit des Buchdrucks. Einzelne Piktogramme erleichtern das Abspeichern des ausufernden Bibelinhalts und tragen zudem dazu bei, mit Symbolen wie dem Löwen, der für Auferstehung und das Evangelium nach Markus steht, das Gedächtnis zu trainieren. Die Lust am Zeichencharakter findet sich auch in der „Steinzeitgeometrie“ der Kölnerin Rune Mields. Ihre esoterisch angehauchte Werkreihe aus den 80er Jahren zieht den Bogen von rätselhaft auf Leinwand und Tuschezeichnungen reduzierten Mustern aus der Steinzeit bis zu kosmischen Befragungen, die sich wie ein fernes Echo in dem Schmuckfußboden aus der Pfarrkirche St. Pankratius in Oberpleis spiegeln. Die den Kosmos abbildenden Steinplatten aus dem frühen 13. Jahrhundert beinhalten ein ganzes Wissensarchiv, das Informationen über Jahreszeiten, Elemente, Krankheiten und ferne Weltgegenden in sich trägt. Von dieser enzyklopädischen Fülle ist der Weg nicht weit zu einer freilich weniger exklusiven Vermittlung des Wissens durch das Buch. Mit Standbildern aus seiner „Bibliothek im Eis“ läutet Lutz Fritsch mitten im Armarium, das im Mittelalter zur Aufbewahrung von Reliquien und liturgischen Gerätschaften diente, aber auch, wie im Fall der Kolumbakirche, Schriften der Universität beherbergte, die umfangreiche Präsentation des Buchs als Medium künstlerischer Aktivität. Der Kölner Bildhauer beamt Impressionen von der Forschungsstation Neumayer an die Wand. Sie erzählen die bizarre Geschichte einer durch Spenden bestückten und in einem grünen Container inmitten der weißen Ödnis untergebrachten Bibliothek. Als Kontrapunkt drängt sich im zweiten Geschoss eine ganze Armada ausrangierter Schreibmaschinen aus der Sammlung des Malers Werner Schriefers. Es stimmt fast trübsinnig, diese Werkzeuge des Denkens ihrer Funktion beraubt zu sehen. Umso erfreulicher ist die Lebendigkeit der 954 Künstlerbücher aus der Schenkung von Edith und Steffen Missmahl. Das Stimmengewirr, das der Erstpräsentation entsteigt, könnte nicht anregender sein. Seit Ende der 1960er Jahre haben Künstler das Buch als autonomes Ausdrucksvehikel für sich entdeckt. Die Früchte der 40-jährigen Recherche des Sammlerpaars sind beachtlich und geben Größen wie Marcel Broodthaers, Gilbert & George, On Kawara, Martin Kippenberger oder Per Kirkeby die Gelegenheit zu einem solitären Rendezvous. (Alexandra Wach, Lob der Entschleunigung, Kölner Stadt-Anzeiger, 15.9.2011)

»Berühre mich nicht! „Noli me tangere!“ lautet das diesjährige Motto der Neuhängung, die dem Diözesanmuseum des Erzbistums Köln zum mittlerweile vierten Mal eine Plattform bietet, Werke aus der offenbar überquellenden hauseigenen Sammlung zu präsentieren. Der im Johannesevangelium überlieferte Ausspruch, den der auferstandene Jesus an Maria Magdalena richtet, hat kunstgeschichtlich Spuren hinterlassen. Im Kolumba tauchen sie nur vereinzelt auf, im Armarium etwa, der Dunkelkammer und dem Kern des Museums, wo sich der mittelalterliche Schatz befindet. Eine kleine Elfenbeinarbeit spielt hier die Schlüsselszene nach, die kniende Maria Magdalena, die von Jesus zurückgewiesen wird. Die großartig komponierte Ausstellung weist freilich über die physische Darstellung hinaus, impliziert in unterschiedlichen Genres das ganze Spektrum zwischenmenschlicher Begegnungen: den Wunsch nach körperlicher Nähe und auf der anderen Seite Distanz und Zurückweisung, die vielen Grenzen, zu denen auch der Respekt vor dem anderen gehört. Die Architektur von Peter Zumthor scheint kein Verfallsdatum zu kennen, begeistert immer wieder aufs Neue durch ihre Dynamik, die im Zusammenspiel mit dem jeweiligen Kunstwerk für neue Raumerlebnisse sorgt. Ein Stockwerk höher verschiebt der Wechsel zwischen großzügigen Blickachsen, Glaswänden und Saalcharakter die Wahrnehmung. Gleich beim Eintreten begegnet der Besucher der minimalistischen Tonraumskulptur des Österreichers Berhard Leitner. Seine „Pulsierende Stille“ besteht aus zwei von der Decke hängenden Metallplatten und den von außen montierten Lautsprechern. In dem Korridor dazwischen verändert der Körper seinen Aggregatzustand, verwandelt sich zu einer vibrierenden Masse, die keinen Ton nach außen lässt. Abseits dieses physisch fordernden Raumexperiments spenden rechts die traumverlorenen Zeichnungen von Leiko Ikemura Trost. Fast lädt die Ganzheitlichkeit dieser Welt zur Meditation ein, wenn da nicht in einem der Nebenräume der vom Verfall gekennzeichnete „Fishman“ des Amerikaners Paul Thek die Vergänglichkeit alarmierend nah ins Bewusstsein bringen würde. Ein lebensgroßer liegender Körper-Abguss, bedeckt mit Fischabdrücken aus Latex. Die größte Überraschung der Ausstellung verbirgt sich wenige Schritte weiter. An der Türschwelle glaubt man sich noch allein mit dem Kruzifix von 1150 an der Wand. Dann schaut man sich um und trifft auf das surreale Schauspiel einer Wunderkammer. Die Schenkung, eine Installation der kürzlich verstorbenen Kölner Künstlerin Krimhild Becker, müsste mit all ihren über dreißig Jahre angesammelten Kitsch-Schädeln, Plastikskeletten und Todessymbolen eigentlich Schauer auslösen. Doch ganz im Gegenteil - sie macht sprachlos angesichts des lebensbejahenden Nebeneinanders von Natur und Kunst, Ernstem und Heiterem, unterschiedlichen Kulturen und einer Entdeckerfreude, die den gerührten Betrachter nicht mehr los lässt.« (Alexandra Wach, Brutale Berührung, sprachloser Schauer, Kölner Stadt-Anzeiger, 15.9.2010)

»Vorsichtig greifen zwei weiß behandschuhte Hände nach dem dunkelgrünen Kindskopf, heben ihn aus einer der etwa 30 Pappkisten und stellen ihn nach einer Fotovorlage auf ein marmornes Wandbord zwischen allerlei skurrile Dinge, die irgendwie mit dem Tod zu tun haben. Im Nordturm von Kolumba wird ein Atelierraum wieder aufgebaut, den die kürzlich verstorbene Künstlerin Krimhild Becker über 30 Jahre entwickelt hatte und von dem nur engste Freunde wussten. Noch sind die Räume des Diözesanmuseums weitgehend leer, aber bis zum 14. September, dem Fest der Kreuzerhöhung, wird ganz Kolumba neu eingerichtet sein. Wie jedes Jahr. Bestückt nur mit Werken aus der eigenen Sammlung. „Sie ist das unerschöpfliche Potenzial, das es immer wieder neu zu entfalten gilt“, begeistert sich Stefan Kraus, der Leiter des „ästhetischen Labors“, über seinen Fundus. Er liebt diesen Prozess: umgestalten, umordnen, frisch kombinieren, neu interpretieren. Diskutieren. Und während das Leitungsteam im Raum 15 über die mögliche Hängung eines dunkelroten Mariano diskutiert und das Bildobjekt an unterschiedlichen Wandstellen abwechselnd hochhält, schaffen fleißige Helfer eine Ikemura-Skulptur aus dem Kellerdepot, andere „tanzen“ Vitrinenballett mit Schaukästen auf Transportrollen. Der Restaurator sinniert über einen äußerst fragilen Latex-„Fishman“ von Paul Thek, der vorerst auf einem Rolltisch liegt wie in der Pathologie eines Serien-Krimis. Drei Damen reinigen die etwa 150 Steck-Applikationen einer Breloh-Skulptur. Stapelweise Aktstudien wandern ins Südkabinett, weil der schmale Raum den Besucher zwingt, näher dran zu gehen - „im Ostkabinett wären die untergegangen.“ Die Vorstellung im Kopf verändert sich im Raum. „Die fertige Ausstellung ist unser Vorschlag einer Versuchsanordnung, die der Besucher auswertet“, sagt Stefan Kraus und zieht für heute die weißen Stoffhandschuhe aus. Ab nächster Woche ist das Labor wieder geöffnet und jeder kann seinen eigenen Testlauf machen. Nur anfassen ist nicht.« (Stefan Worring, Ein Museum als Labor, Kölner Stadt-Anzeiger, 8.9.2010)


»Hier drinnen in Kolumba zum Beispiel, auf der anderen Seite der Glasscheibe, in Raum 10, scheint eine überdimensionale Tulpe gerade frisch aus dem Boden gebrochen zu sein. Saftig rot leuchtet das organisch geformte Kleid, ein anderes hängt in narzissengelb schräg dahinter. Zu prall scheint die rote Blüte, blaues Innenleben platzt hervor. Die Kleider sind Werke der Kölner Künstlerin Renate Köhler, ebenso wie die Gemälde an der Wand – die eigentlich gar keine Gemälde sind. Was zunächst aussieht wie ein wimmelndes Blumenmeer, in Öl gefasst, besteht auf den zweiten Blick aus winzigen Fäden, von der Künstlerin zum Bild zusammengefügt. Auch das Kleid ist mit Fäden bemalt, die sich wie Adern auf einer Blüte über den Stoff ziehen. Ein Kleidungsstück, ein Gemälde, eine Blume – alles gleichzeitig? „Ein Kleid, das auch ein Bild ist. Oder eine Tulpe, die man anziehen kann", sagt Stefan Kraus, Direktor des Museums. „Die organischen Formen haben sich aus Erfahrungen der Künstlerin in der Malerei entwickelt." (Hannah Schneider, Es flirt und blüht im Museum, KSTA, Beilage 20/21.3.2010)

»Eine Zusammenstellung, die ihrerseits eines gewissen Risikos nicht entbehrt – zumal die inhaltliche Konotation der so unterschiedlichen Exponate nur über ein einziges Wort geschieht: Hinterlassenschaften. Ein Begriff, der einerseits eine Brücke baut zum geistlichen Hintergrund des Diözesanmuseums, der andererseits aber auch ein solcher Allgemeinplatz ist, dass er die Türen in alle Richtungen aufstößt. Genau das ist das Ziel von Museumsdirektor Stefan Kraus und seinem Team, das sich zurzeit über rund 7500 Besucher monatlich