Kolumba
Kolumbastraße 4
D-50667 Köln
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»Die Heiligen Drei Könige kommen als Materialcollage daher. Statt in prächtigen Gewändern und mit Gefolge werden sie mit heruntergekommenen Stühlen, Körben, Federn und einer Glühlampe auf einem langgezogenen Fundholz angedeutet. Im Blick haben diese nur schwer als Personen zu identifizierenden Christus-Pilger eine Darstellung der „Maria vom Erbarmen“, von Michael Buthe. | Auf einem bolivianischen Ölgemälde aus dem 18. Jahrhundert sind der Gottesmutter zwei Heilige zur Seite gestellt, die ihrerseits aufgebrochen sind, um ihr Leben einem Orden zu widmen. Flankiert wird die Szenerie auf der einen Seite durch die Darstellung einer Fotoreihe, auf denen Landschaften zu sehen sind, die in den mythischen Ritualreisen eines Volksstamms aus dem Himalaya besungen werden – Wege, die von den Schamanen des Stammes passiert werden, um den verlorengegangenen Seelen ihrer Patienten nachzuspüren. Auf der anderen Seite prangt ein großformatiges Labyrinth, das der damals sechs Jahre alte Frederic Kaul als Aquarell sowie mit Filzstiften auf Papier gebannt hat – Symbol für einen Aufbruch, der mit zahlreichen Irrungen und Wirrungen versehen ist, ehe er an ein Ziel kommt? Durch die Zusammenstellung der eingangs beschriebenen Installation von Michael Buthe (1944-1994), die in der Anordnung trivialer Gegenstände eine bewegende inhaltliche Aufladung zeitigt, dem Bild aus Bolivien, den Fotografien des 1942 geborenen Michael Oppitz sowie dem Bild des Kindes kulminiert in diesem Ausstellungsraum von „Kolumba“, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, das Thema der neuen Jahresausstellung in einer packenden Verdichtung. „1919 49 69 ff. – Aufbrüche“ ist die Schau betitelt. Ein Thema, das sich erst beim Gang durch die neu inszenierten Ausstellungsräume des sehenswerten Museums in der Kölner Innenstadt erschließt. „Aufbruch oder Aufbrüche, das beinhaltet sowohl Zerstörung wie auch Neubeginn“, sagt Museumschef Stefan Kraus und ergänzt: „Erstmals wagen wir den Versuch, mit der in den vergangenen 30 Jahren gewachsenen Sammlung des Hauses historische Zeitabschnitte ästhetisch zu vermitteln“. | Dabei kommt es zu faszinierenden Dialogbeziehungen zwischen Objekten aus dem Mittelalter bis in die Gegenwart hinein. Stefan Lochners berühmte „Madonna mit dem Veilchen“ (1450) begegnet dem „Blumenstein“, den Heinrich Hoerle 1928 mit Öl auf Holz gebannt hat. Der aus Nussbaum im 15. Jahrhundert gefertigte Heilige Martin zu Pferd scheint auf einem in riesigem Rahmen eingefassten zerrissenen Stofftuch hineinzureiten in die goldene Wand der „Tragedia Civile“ von Jannis Kounellis (1936 – 2017). Der Meister der Ursula-Legende hat um 1500 das Jüngste Gericht dargestellt, während dieser Darstellung gegenübergestellt, ja mitunter fragwürdig konfrontiert, mit denen sehr unterschiedliche Künstler kreativ auf historische Umbruchszeiten reagieren und Visionen entwickeln. (Ulrike und Constantin von Hoensbroech, Die Archive geben einen Blick auf die Zukunft. Kolumba bricht zur Jahresausstellung auf…, in: Die Tagespost, 7. November 2019)

»Glaube und Kunst, christliche Symbolik und die künstlerische Auseinandersetzung mit ihr – sie stehen sich seit jeher in einem besonderen Spannungsverhältnis gegenüber. Das Denken und reflektieren über den Glauben, das christliche Selbstverständnis, die Metaphern und Gleichnisse der Bibel und vieles andere mehr haben sich immer schon in den verschiedenen Medien und Darstellungsformen der Kunst mit den unterschiedlichsten Formen ausgedrückt. Doch wo liegt das Potential der Erkenntnis von und durch Kunst in einer Welt, die durch möglichst schnelle Information und Kommunikation geprägt ist? "Kunst ist einer der wenigen Denkräume, der nicht zweckorientiert ist", antwortet Museumsdirektor Stefan Kraus. In bewährter Manier hatten Kraus und die Kuratoren Ulrike Surmann, Katharina Winnekes und Marc Steinmann das Haus wieder einmal für zwei Wochen geschlossen, um es nach der selbst verortneten Denk- und Konzeptionsphase mit einer neuen Jahresausstellung wieder zu eröffnen. … Auch dies wieder wie eine Metapher für eine Ausstellungskonzeption, bei der sich manches nicht sogleich erschließt, stets aber herausragende künstlerische und intellektuelle Objektdialoge und Korrespondenzen inszeniert werden, die in dieser wieder einmal bewusst entschleunigten Präsentation das Denken in besonderer Weise herausfordert. …Zum einen ermöglicht die Ausstellung den Blick in die Werkstätten der Künstler, in ihre Grundlagen, Recherchen und die Ergebnisse der künstlerischen Arbeit. Zum anderen lädt die Schau zugleich zum eigenen Denken ein, ja ermutigt dazu. Denn es gibt keine vorgefertigten Meinungen und Interpretationen, es geht vielmehr um die "Kontemplation und die Frage, inwieweit sie eine Voraussetzung des Denkens ist", so Kraus. Die Entdeckung der Räume bleibt damit eine höchst persönliche, fast intime Erfahrung, bei der die an Vernunft gebundene Sprache sich eben nur unzureichend auszudrücken vermag. Und doch steht hinter der fein gewobenen Schau ein unaufdringlicher aber bestimmter Anspruch, den Papst Benedikt XIV soeben am vergangenen Wochenende im "Wort am Sonntag" betonte und der eben auch für die Kunst, das Kunsthandwerk, die Künstler und die Rezipienten gilt: "Wir können die Welt technisch nützen, weil sie rational gebaut ist. In dieser großen Rationalität der Welt ahnen wir etwas von dem Schöpfergeist, von dem sie kommt, und wir können in der Schönheit der Schöpfung doch etwas von der Schönheit, Größe und auch von der Güte Gottes sehen." … In diesem Sinne passt nochmal Joseph Beuys, der diesen Anspruch mit eigenen Worten verdeutlichen kann: Im oberen Stockwerk des erzbischöflichen Kunstmuseums hängen die 28 Seiten eines Typoskripts aus dem Jahre 1984, ein Gespräch zwischen dem Jesuitenpater und Kunstexperten Friedhelm Mennekes und dem Düsseldorfer Künstler. … Besonders nachdenklich stimmt die kleine aber semantisch und theologische Änderung, mit der Beuys seine Antwort auf den Aspekt des Leidens in Bezug auf Jesus Christus korrigiert. "Christus zeigt auf, dass auch das Leiden dem Menschen hilft", hat Pater Mennekes als Antwort abgetippt. In der eigenhändigen Korrektur hat Beuys das "auch" durchgestrichen und ein "gerade" darübergeschrieben.« (Constantin Graf von Hoensbroech, In der Schönheit die Güte Gottes sehen, in: Die Tagespost, 20. September 2011, S.10)

»Der Anlass war festlich, doch die Stimmung der geladenen Gesellschaft in ihrer Unbeschwertheit beeinträchtigt. Für ihr herausragendes Ausstellungskonzept haben die Kuratoren von 'Kolumba', dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, den Museumspreis der Kulturstiftung hbs erhalten. 'Der Preis ehrt die kuratorische Leistung, deren Kompetenz und Umsicht, Gewitzheit und Solidität, die sich in jeder Anordnungsvariation aufs Neue qualitätvoll unter Beweis stellt. Deshalb hat sich Kolumba zu einer der führenden Einrichtungen im Umgang mit Bildern entwickelt", trug Professor Gottfried Korff, emeritierter Professor am Ludwig-Uhland-Institut der Universität Tübingen, in seiner Laudatio die Entscheidung der Jury vor. Gleichwohl hatten viele Gäste noch ganz andere Bilder vor Augen, als nur die der spannenden Ausstellungskonzeption in einem beeindruckenden architektonischen Gebäude: der wahrscheinlich durch einen U-Bahnbau bedingte Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln. Kaum 48 Stunden nach dem weltweit Schlagzeilen machenden Unglück bekannte Korff in seiner Rede, das es eine schwierige Situation sei, gerade jetzt in Köln über Kultur zu sprechen. Sichtlich emotionalisiert, bemühte er sich, das aktuelle Geschehen in der Domstadt in Worte zu kleiden. Das ihm das meisterlich gelang, bewies der Kulturwissenschaftler mit sehr sensiblen Gedanken, in denen er die aktuell 'desaströse Situation' aufgriff. An einen Ausspruch des Historikers Arnold Esch erinnernd – 'Geschichte produziert nicht nur Überlieferung, sie vernichtet sie auch' – stellte Korff die 'Frage nach dem notwendigen, wirksamen Nachdenken über den Umgang mit dem kulturellen Erbe'« (Constantin Graf von Hoensbroech, Die Tagespost, 10.3.2009)

»'Von der notwendigen Schönheit der Dinge' spricht Museumsdirektor Stefan Kraus, und wer sich darauf einlässt und dafür öffnet, wird genau das erfahren, worum es in Kolumba geht: das individuelle ästhetische Erleben im Dreiklang von Ort, Architektur und Sammlung. Wie konsequent das Kunstmuseum des Erzbistums Köln dieses Spezifikum seines Konzepts auch ein Jahr nach seiner Eröffnung verfolgt, lässt sich seit einigen Tagen an der neuen Präsentation ablesen. 'Der Mensch verlässt die Erde' hat das vierköpfige Museumsteam den Ausstellungskosmos betitelt, der, wie eine Besucherin treffend anmerkte, fast völlig neu und doch so vertraut wirkt.« (Constantin Graf von Hoensbroech, Netzwerk der Möglichkeiten von Erinnerung, Phantasie und Glauben, Die Tagespost, 14.10.2008)

»Stabübergabe im neuen Diözesanmuseum des Erzbistums Köln. Rund ein halbes Jahr nach der Eröffnung von 'Kolumba. Kunstmuseum des Erzbistums Köln' tritt der langjährige Direktor des Hauses, Joachim Plotzek, in den Ruhestand. Nachfolger des promovierten Kunsthistorikers wird ab Ende April der bisherige Kustos des Hauses, Stefan Kraus (47). Mit dieser Personalentscheidung folgt das Erzbistum Köln einer im alltäglichlen Museumsbetrieb so notwendigen und doch alles andere als selbstverständlichen Maxime, der Plotzek und sein Team in den zurückliegenden Jahren konsequent gefolgt waren: Kontinuität. Denn Stefan Kraus gehört seit 1991 zum Team des Kölner Diözesanmuseums, das Joachim Plotzek seit 18 Jahren leitet. Mit den ebenso langjährig erfahrenen und kompetenten Kustoden Ulrike Surmann und Katharina Winnekes haben der scheidende Direktor und sein zukünftiger Nachfolger im alten Ausstellungsgebäude unweit des Domes über viele Jahre hinweg das gesamte Ausstellungskonzept für den spektakulären Neubau erarbeitet und – sozusagen unter Laborbedingungen – erprobt.« (Constantin Graf von Hoensbroech, Ein 'Dreiklang von Ort, Sammlung und Architektur', Die Tagespost, 10.4.2008)

»Wie eine zeitgenössisch anmutende Burg wirkt das hoch aufragende Gebäude im Herzen der Kölner Innenstadt. Dabei ist der markante Bau eigentlich nichts weiter als die einfache Verwirklichung einer Vorstellung: 'Wir wünschen uns ein lebendes Museum bezogen auf die Realität und die Würde des Vorhandenen, eine Raum schaffende Architektur, zurückhaltende und langlebige Materialien, ein Minimum an Technik, Einfachheit und Funktionalität im Detail, eine sorgfältige und materialgerechte Ausführung, einen selbstverständlichen Ort für die Menschen und die Kunst.' Mit diesen Worten hat vor über zehn Jahren der Architektenwettbewerb für das neue Kölner Diözesanmuseum ausgelobt, den im Juni 1997 der renommierte Schweizer Baumeister Peter Zumthor mit zwölf zu eins Stimmen gegen 166 weitere Entwürfe gewann. … Entstanden ist nun ein ruhiger, klar gegliederter Bau, der zwar auf den ersten Blick etwas überdimensioniert wirkt, sich beim zweiten Blick aber alles andere als raumgreifend oder erdrückend darstellt, im Gegenteil: Das Gebäude mit der hellgrauen Backsteinfassade ist auf dem Grundriss der im Zweiten Weltkrieg zerstörten gotischen Kirche St. Kolumba erbaut worden und erhebt sich städtebaulich wie selbstverständlich eingefügt in diesen eng bebauten Bereich der Innenstadt. Zahlreiche natürliche Materialien und die Reduzierung auf wenige Elemente – Backstein, Mörtel, Putz und Terazzo – prägen die 16 unterschiedlichen Ausstellungsräume mit zum Teil wandgroßen, in stählernen Rahmen gefassten Fenstern. Dabei hat jeder Raum durch den spezifischen Lichteinfall, Größe und Proportion seine eigene Qualität und Gestalt. Die gesamte Architektur mit ihrer differenzierten Raumfolge stellt sich als Organismus, als lebendige Struktur, dar. Von den Wänden in dem fugenlos erbauten Kunstmuseum mit über 1 600 Quadratmetern Ausstellungsfläche treten die mitunter fast sparsam gehängten Exponate wie plastisch hervor. Keine Schnüre, an denen ein Kunstobjekt baumelt, fallen von der Decke herab. Keine Plaketten mit Erläuterungen queren den Blick auf den Gegenstand. Selten hatten Kunstobjekte so viel Platz, sich so großzügig zu entfalten. Die Besucher erhalten als Eintrittskarte ein Heftchen mit der Aufzählung der Exponate im jeweiligen Raum und begeben sich auf den Rundgang „wie bei einem Waldspaziergang“, sagt Museumsdirektor Joachim Plotzek und fügt hinzu: ‘Kunst ist sinnlich, sie soll in einem lebendigen Museum erlebbar werden.' Als ein 'Dreiklang von Ort, Sammlung und Architektur' soll Kolumba erklingen, 'ein Ort der Nachdenklichkeit', der sich immer wieder neu der Suche nach 'Maß, Proportion und Schönheit als verbindendem Element aller künstlerischen Gestaltung stellt'. … Die wie entrückt in sich gekehrt anmutende 'Madonna mit dem Veilchen' (um 1450) von Stefan Lochner wird nicht nur durch den sich majestätisch vor ihrem Fenster erhebenden Dom, sondern auch mit der ihr gegenüber angebrachten 'Huldigung an das Quadrat' (1962) von Josef Albers der Welt zugewandt. Ob eine romanische Skulptur oder zeitgenössische Rauminstallation, ob mittelalterliches Tafelbild oder die abstrakte Malerei der Gegenwart: 'Es geht stets darum, die eigene Sammlung in einer präzisen Auswahl zu präsentieren, spezifische Dialogsituationen zu schaffen und Grundfragen der menschlichen Existenz zu erörtern', betont Museumskustos Stefan Kraus das flexible Ausstellungskonzept, das bereits im Vorgängerbau als 'Laborsituation' im Vorgriff auf den seit rund 30 Jahren beabsichtigten Neubau erprobt worden ist.« (Constantin Graf Hoensbroech, Ein Haus voll Glorie schauet, in: Tagespost, 18.9.2007)
 
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»Die Heiligen Drei Könige kommen als Materialcollage daher. Statt in prächtigen Gewändern und mit Gefolge werden sie mit heruntergekommenen Stühlen, Körben, Federn und einer Glühlampe auf einem langgezogenen Fundholz angedeutet. Im Blick haben diese nur schwer als Personen zu identifizierenden Christus-Pilger eine Darstellung der „Maria vom Erbarmen“, von Michael Buthe. | Auf einem bolivianischen Ölgemälde aus dem 18. Jahrhundert sind der Gottesmutter zwei Heilige zur Seite gestellt, die ihrerseits aufgebrochen sind, um ihr Leben einem Orden zu widmen. Flankiert wird die Szenerie auf der einen Seite durch die Darstellung einer Fotoreihe, auf denen Landschaften zu sehen sind, die in den mythischen Ritualreisen eines Volksstamms aus dem Himalaya besungen werden – Wege, die von den Schamanen des Stammes passiert werden, um den verlorengegangenen Seelen ihrer Patienten nachzuspüren. Auf der anderen Seite prangt ein großformatiges Labyrinth, das der damals sechs Jahre alte Frederic Kaul als Aquarell sowie mit Filzstiften auf Papier gebannt hat – Symbol für einen Aufbruch, der mit zahlreichen Irrungen und Wirrungen versehen ist, ehe er an ein Ziel kommt? Durch die Zusammenstellung der eingangs beschriebenen Installation von Michael Buthe (1944-1994), die in der Anordnung trivialer Gegenstände eine bewegende inhaltliche Aufladung zeitigt, dem Bild aus Bolivien, den Fotografien des 1942 geborenen Michael Oppitz sowie dem Bild des Kindes kulminiert in diesem Ausstellungsraum von „Kolumba“, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, das Thema der neuen Jahresausstellung in einer packenden Verdichtung. „1919 49 69 ff. – Aufbrüche“ ist die Schau betitelt. Ein Thema, das sich erst beim Gang durch die neu inszenierten Ausstellungsräume des sehenswerten Museums in der Kölner Innenstadt erschließt. „Aufbruch oder Aufbrüche, das beinhaltet sowohl Zerstörung wie auch Neubeginn“, sagt Museumschef Stefan Kraus und ergänzt: „Erstmals wagen wir den Versuch, mit der in den vergangenen 30 Jahren gewachsenen Sammlung des Hauses historische Zeitabschnitte ästhetisch zu vermitteln“. | Dabei kommt es zu faszinierenden Dialogbeziehungen zwischen Objekten aus dem Mittelalter bis in die Gegenwart hinein. Stefan Lochners berühmte „Madonna mit dem Veilchen“ (1450) begegnet dem „Blumenstein“, den Heinrich Hoerle 1928 mit Öl auf Holz gebannt hat. Der aus Nussbaum im 15. Jahrhundert gefertigte Heilige Martin zu Pferd scheint auf einem in riesigem Rahmen eingefassten zerrissenen Stofftuch hineinzureiten in die goldene Wand der „Tragedia Civile“ von Jannis Kounellis (1936 – 2017). Der Meister der Ursula-Legende hat um 1500 das Jüngste Gericht dargestellt, während dieser Darstellung gegenübergestellt, ja mitunter fragwürdig konfrontiert, mit denen sehr unterschiedliche Künstler kreativ auf historische Umbruchszeiten reagieren und Visionen entwickeln. (Ulrike und Constantin von Hoensbroech, Die Archive geben einen Blick auf die Zukunft. Kolumba bricht zur Jahresausstellung auf…, in: Die Tagespost, 7. November 2019)

»Glaube und Kunst, christliche Symbolik und die künstlerische Auseinandersetzung mit ihr – sie stehen sich seit jeher in einem besonderen Spannungsverhältnis gegenüber. Das Denken und reflektieren über den Glauben, das christliche Selbstverständnis, die Metaphern und Gleichnisse der Bibel und vieles andere mehr haben sich immer schon in den verschiedenen Medien und Darstellungsformen der Kunst mit den unterschiedlichsten Formen ausgedrückt. Doch wo liegt das Potential der Erkenntnis von und durch Kunst in einer Welt, die durch möglichst schnelle Information und Kommunikation geprägt ist? "Kunst ist einer der wenigen Denkräume, der nicht zweckorientiert ist", antwortet Museumsdirektor Stefan Kraus. In bewährter Manier hatten Kraus und die Kuratoren Ulrike Surmann, Katharina Winnekes und Marc Steinmann das Haus wieder einmal für zwei Wochen geschlossen, um es nach der selbst verortneten Denk- und Konzeptionsphase mit einer neuen Jahresausstellung wieder zu eröffnen. … Auch dies wieder wie eine Metapher für eine Ausstellungskonzeption, bei der sich manches nicht sogleich erschließt, stets aber herausragende künstlerische und intellektuelle Objektdialoge und Korrespondenzen inszeniert werden, die in dieser wieder einmal bewusst entschleunigten Präsentation das Denken in besonderer Weise herausfordert. …Zum einen ermöglicht die Ausstellung den Blick in die Werkstätten der Künstler, in ihre Grundlagen, Recherchen und die Ergebnisse der künstlerischen Arbeit. Zum anderen lädt die Schau zugleich zum eigenen Denken ein, ja ermutigt dazu. Denn es gibt keine vorgefertigten Meinungen und Interpretationen, es geht vielmehr um die "Kontemplation und die Frage, inwieweit sie eine Voraussetzung des Denkens ist", so Kraus. Die Entdeckung der Räume bleibt damit eine höchst persönliche, fast intime Erfahrung, bei der die an Vernunft gebundene Sprache sich eben nur unzureichend auszudrücken vermag. Und doch steht hinter der fein gewobenen Schau ein unaufdringlicher aber bestimmter Anspruch, den Papst Benedikt XIV soeben am vergangenen Wochenende im "Wort am Sonntag" betonte und der eben auch für die Kunst, das Kunsthandwerk, die Künstler und die Rezipienten gilt: "Wir können die Welt technisch nützen, weil sie rational gebaut ist. In dieser großen Rationalität der Welt ahnen wir etwas von dem Schöpfergeist, von dem sie kommt, und wir können in der Schönheit der Schöpfung doch etwas von der Schönheit, Größe und auch von der Güte Gottes sehen." … In diesem Sinne passt nochmal Joseph Beuys, der diesen Anspruch mit eigenen Worten verdeutlichen kann: Im oberen Stockwerk des erzbischöflichen Kunstmuseums hängen die 28 Seiten eines Typoskripts aus dem Jahre 1984, ein Gespräch zwischen dem Jesuitenpater und Kunstexperten Friedhelm Mennekes und dem Düsseldorfer Künstler. … Besonders nachdenklich stimmt die kleine aber semantisch und theologische Änderung, mit der Beuys seine Antwort auf den Aspekt des Leidens in Bezug auf Jesus Christus korrigiert. "Christus zeigt auf, dass auch das Leiden dem Menschen hilft", hat Pater Mennekes als Antwort abgetippt. In der eigenhändigen Korrektur hat Beuys das "auch" durchgestrichen und ein "gerade" darübergeschrieben.« (Constantin Graf von Hoensbroech, In der Schönheit die Güte Gottes sehen, in: Die Tagespost, 20. September 2011, S.10)

»Der Anlass war festlich, doch die Stimmung der geladenen Gesellschaft in ihrer Unbeschwertheit beeinträchtigt. Für ihr herausragendes Ausstellungskonzept haben die Kuratoren von 'Kolumba', dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, den Museumspreis der Kulturstiftung hbs erhalten. 'Der Preis ehrt die kuratorische Leistung, deren Kompetenz und Umsicht, Gewitzheit und Solidität, die sich in jeder Anordnungsvariation aufs Neue qualitätvoll unter Beweis stellt. Deshalb hat sich Kolumba zu einer der führenden Einrichtungen im Umgang mit Bildern entwickelt", trug Professor Gottfried Korff, emeritierter Professor am Ludwig-Uhland-Institut der Universität Tübingen, in seiner Laudatio die Entscheidung der Jury vor. Gleichwohl hatten viele Gäste noch ganz andere Bilder vor Augen, als nur die der spannenden Ausstellungskonzeption in einem beeindruckenden architektonischen Gebäude: der wahrscheinlich durch einen U-Bahnbau bedingte Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln. Kaum 48 Stunden nach dem weltweit Schlagzeilen machenden Unglück bekannte Korff in seiner Rede, das es eine schwierige Situation sei, gerade jetzt in Köln über Kultur zu sprechen. Sichtlich emotionalisiert, bemühte er sich, das aktuelle Geschehen in der Domstadt in Worte zu kleiden. Das ihm das meisterlich gelang, bewies der Kulturwissenschaftler mit sehr sensiblen Gedanken, in denen er die aktuell 'desaströse Situation' aufgriff. An einen Ausspruch des Historikers Arnold Esch erinnernd – 'Geschichte produziert nicht nur Überlieferung, sie vernichtet sie auch' – stellte Korff die 'Frage nach dem notwendigen, wirksamen Nachdenken über den Umgang mit dem kulturellen Erbe'« (Constantin Graf von Hoensbroech, Die Tagespost, 10.3.2009)

»'Von der notwendigen Schönheit der Dinge' spricht Museumsdirektor Stefan Kraus, und wer sich darauf einlässt und dafür öffnet, wird genau das erfahren, worum es in Kolumba geht: das individuelle ästhetische Erleben im Dreiklang von Ort, Architektur und Sammlung. Wie konsequent das Kunstmuseum des Erzbistums Köln dieses Spezifikum seines Konzepts auch ein Jahr nach seiner Eröffnung verfolgt, lässt sich seit einigen Tagen an der neuen Präsentation ablesen. 'Der Mensch verlässt die Erde' hat das vierköpfige Museumsteam den Ausstellungskosmos betitelt, der, wie eine Besucherin treffend anmerkte, fast völlig neu und doch so vertraut wirkt.« (Constantin Graf von Hoensbroech, Netzwerk der Möglichkeiten von Erinnerung, Phantasie und Glauben, Die Tagespost, 14.10.2008)

»Stabübergabe im neuen Diözesanmuseum des Erzbistums Köln. Rund ein halbes Jahr nach der Eröffnung von 'Kolumba. Kunstmuseum des Erzbistums Köln' tritt der langjährige Direktor des Hauses, Joachim Plotzek, in den Ruhestand. Nachfolger des promovierten Kunsthistorikers wird ab Ende April der bisherige Kustos des Hauses, Stefan Kraus (47). Mit dieser Personalentscheidung folgt das Erzbistum Köln einer im alltäglichlen Museumsbetrieb so notwendigen und doch alles andere als selbstverständlichen Maxime, der Plotzek und sein Team in den zurückliegenden Jahren konsequent gefolgt waren: Kontinuität. Denn Stefan Kraus gehört seit 1991 zum Team des Kölner Diözesanmuseums, das Joachim Plotzek seit 18 Jahren leitet. Mit den ebenso langjährig erfahrenen und kompetenten Kustoden Ulrike Surmann und Katharina Winnekes haben der scheidende Direktor und sein zukünftiger Nachfolger im alten Ausstellungsgebäude unweit des Domes über viele Jahre hinweg das gesamte Ausstellungskonzept für den spektakulären Neubau erarbeitet und – sozusagen unter Laborbedingungen – erprobt.« (Constantin Graf von Hoensbroech, Ein 'Dreiklang von Ort, Sammlung und Architektur', Die Tagespost, 10.4.2008)

»Wie eine zeitgenössisch anmutende Burg wirkt das hoch aufragende Gebäude im Herzen der Kölner Innenstadt. Dabei ist der markante Bau eigentlich nichts weiter als die einfache Verwirklichung einer Vorstellung: 'Wir wünschen uns ein lebendes Museum bezogen auf die Realität und die Würde des Vorhandenen, eine Raum schaffende Architektur, zurückhaltende und langlebige Materialien, ein Minimum an Technik, Einfachheit und Funktionalität im Detail, eine sorgfältige und materialgerechte Ausführung, einen selbstverständlichen Ort für die Menschen und die Kunst.' Mit diesen Worten hat vor über zehn Jahren der Architektenwettbewerb für das neue Kölner Diözesanmuseum ausgelobt, den im Juni 1997 der renommierte Schweizer Baumeister Peter Zumthor mit zwölf zu eins Stimmen gegen 166 weitere Entwürfe gewann. … Entstanden ist nun ein ruhiger, klar gegliederter Bau, der zwar auf den ersten Blick etwas überdimensioniert wirkt, sich beim zweiten Blick aber alles andere als raumgreifend oder erdrückend darstellt, im Gegenteil: Das Gebäude mit der hellgrauen Backsteinfassade ist auf dem Grundriss der im Zweiten Weltkrieg zerstörten gotischen Kirche St. Kolumba erbaut worden und erhebt sich städtebaulich wie selbstverständlich eingefügt in diesen eng bebauten Bereich der Innenstadt. Zahlreiche natürliche Materialien und die Reduzierung auf wenige Elemente – Backstein, Mörtel, Putz und Terazzo – prägen die 16 unterschiedlichen Ausstellungsräume mit zum Teil wandgroßen, in stählernen Rahmen gefassten Fenstern. Dabei hat jeder Raum durch den spezifischen Lichteinfall, Größe und Proportion seine eigene Qualität und Gestalt. Die gesamte Architektur mit ihrer differenzierten Raumfolge stellt sich als Organismus, als lebendige Struktur, dar. Von den Wänden in dem fugenlos erbauten Kunstmuseum mit über 1 600 Quadratmetern Ausstellungsfläche treten die mitunter fast sparsam gehängten Exponate wie plastisch hervor. Keine Schnüre, an denen ein Kunstobjekt baumelt, fallen von der Decke herab. Keine Plaketten mit Erläuterungen queren den Blick auf den Gegenstand. Selten hatten Kunstobjekte so viel Platz, sich so großzügig zu entfalten. Die Besucher erhalten als Eintrittskarte ein Heftchen mit der Aufzählung der Exponate im jeweiligen Raum und begeben sich auf den Rundgang „wie bei einem Waldspaziergang“, sagt Museumsdirektor Joachim Plotzek und fügt hinzu: ‘Kunst ist sinnlich, sie soll in einem lebendigen Museum erlebbar werden.' Als ein 'Dreiklang von Ort, Sammlung und Architektur' soll Kolumba erklingen, 'ein Ort der Nachdenklichkeit', der sich immer wieder neu der Suche nach 'Maß, Proportion und Schönheit als verbindendem Element aller künstlerischen Gestaltung stellt'. … Die wie entrückt in sich gekehrt anmutende 'Madonna mit dem Veilchen' (um 1450) von Stefan Lochner wird nicht nur durch den sich majestätisch vor ihrem Fenster erhebenden Dom, sondern auch mit der ihr gegenüber angebrachten 'Huldigung an das Quadrat' (1962) von Josef Albers der Welt zugewandt. Ob eine romanische Skulptur oder zeitgenössische Rauminstallation, ob mittelalterliches Tafelbild oder die abstrakte Malerei der Gegenwart: 'Es geht stets darum, die eigene Sammlung in einer präzisen Auswahl zu präsentieren, spezifische Dialogsituationen zu schaffen und Grundfragen der menschlichen Existenz zu erörtern', betont Museumskustos Stefan Kraus das flexible Ausstellungskonzept, das bereits im Vorgängerbau als 'Laborsituation' im Vorgriff auf den seit rund 30 Jahren beabsichtigten Neubau erprobt worden ist.« (Constantin Graf Hoensbroech, Ein Haus voll Glorie schauet, in: Tagespost, 18.9.2007)