Kolumba
Kolumbastraße 4
D-50667 Köln
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»Klassikkolumne: Musikerinnen und Musiker gibt es, die außergewöhnliche künstlerische Ideen und intellektuelle Fähigkeiten besitzen, öfters in einer der „Normalität“ enthobenen Biografie zuhause. Sie werden gern als Wundertiere und Extremisten gefeiert oder abgestempelt. Die Pianistin Pi-hsien Chen ist wohl eine solche Musikerin, dabei eine stille, in die Tiefe lotende. Im zarten Alter von neun Jahren kam sie aus ihrer Heimat Taiwan nach Köln zu dem Klavierprofessor Hans-Otto Schmidt-Neuhaus, dem Lehrer auch von Karlheinz Stockhausen und Peter Eötvös. Und entpuppte sich pianistisch und musikalisch als derart geisteswach und musikalisch begabt, dass sie 1972, mit einundzwanzig, den als eisenhart gefürchteten Musikwettbewerb der ARD in München als Siegerin verließ. Absolventin in der Hochschulklasse des Pianisten Hans Leygraf und in Wilhelm Kempffs Kursen zu Positano, spielte Chen in Konzertsälen und auf Platten das klassische Repertoire, dann jedoch auch Schönbergs sperrige Klavierstücke. Sie entwickelte ein hochgradiges Vermögen für die von Traditionalisten gern zum Schreckgespenst ausgerufene faszinierende Avantgartekunst von Meistern wie Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez oder John Cage. Welches Kaliber an Reflexion und Musizierlust Pi-hsien Chen verkörpert, die an den Musikhochschulen in Köln und Freiburg als Professorin tätig war, führt eine Box mit Aufnahmen vor, die an einem sehr besonderen Kulturot in Köln entstanden sind. Es sind Live-Mitschnitte von mehreren ihrer Konzertabende in dem einzigartigen, von Architekt Peter Zumthor genial entwofenen Kunstmuseum Kolumba. Inmitten der mittelalterlichen Exponate der Jahresausstellung „Me in a no-time state – Über das Individuum“, ganz nahe bei all den denkenden, lesenden und schreibenden Heiligen- und Engelfiguren, verteilte Pi-hsien Chen vom Steinway aus ihre Schätze: Bachs Kunst der Fuge und Schönbergs komplettes Klavierwerk, Scarlatti-Sonaten, Mozart-Variationen und –Stücke, drei Schubert-Sonaten. Der Kölner Orientalist Navid Kermani war unter den Zuhörern und beschrieb das Konzert als eine „Hörbachmachung“ eine „transzendente Erfahrung“. Die Booklet-Texte zur Musik hat Pi-hsien Chen selbst verfasst. Der Hörer vernimmt in dem warmtönenden, etwas opulenten Raumklang musikalische Deutungen in Klarheit und Helligkeit, der Intensität und Texttreue, die sogar die entfernten Pole Logik und Charme miteinander verbinden kann. „Mitteilungen vom unteilbaren Werk“ – der Box-Titel steht fürs Prinzip ganzheitlichen Hörens (Telosmusic). (Süddeutsche Zeitun, 20.03.2018)

»Aufregender als jede Ausstellung: Die neue Einrichtung des Kölner Kolumba-Museums mit dem Titel „Über das Individuum“ bringt gotische Kirchenplastik, Roboterfiguren und Videokunst zusammen. Die im Jahresrhythmus wechselnden Neueinrichtungen des Kolumba-Museums in Köln gehören zu den aufregendsten Kunstpräsentationen des Jahres. Weil Bildwerke und Kultobjekte ganz unterschiedlicher Epochen und Gattungen dort aufs Lebendigste miteinander und mit den ganz individuellen Räumlichkeiten der umgebenden modernen Museumsarchitektur kommunizieren. Man muss nur in dem von Peter Zumthor über den Ruinen der zerstörten Kolumbakirche errichteten, geheimnisvoll durchlichteten Raum auf dem Zickzacksteg über die Grundmauern römischer, romanischer und gotischer Kultbauten und über die Gräber zahlloser Menschen geschritten sein, um alles, was einem danach in den darüberliegenden Museumsräumen begegnet, mit erhöhter Sensibilität und geschäften Sinnen zu erleben. In dieser Saison trägt die Jahresausstellung den Titel „Über das Individuum“. Mit diesem Stichwort richten die Kuratoren den Blick auf intime Seelenlandschaften, auf die Beschreibungen extremer existenzieller Zustände, aber auch auf die enormen Diskrepanzen, die sich zwischen dem äußeren Erscheinungsbild einer Person, ihren subjektiven Äußerungen und ihren Taten auftun können….«. (Gottfried Knapp. Von eitlen Bildhauern, in: Süddeutsche Zeitung, 18.4.2017)

»Wie spannend die Beschäftigung mit Kinderzeichnungen sein kann, hat kaum jemand eindrucksvoller vorgeführt als der Münchener Künstler, der Spurensicherer Kurt Benning, des es sich zur Aufgabe gemacht hat, Phänomene, die der verloren zu gehen drohen, bildlich, medial oder in Texten festzuhalten. Leider scheint außer dem Kolumba-Museum in Köln kein deutsches Kunstinstitut an solchen Forschungsarbeiten interessiert zu sein. Benning hat die in lockeren Schüben entstandenen Zeichnungen seiner Tochter Noa über drei Jahre hinweg gesammelt und in Bänden zusammengefasst. In seinen Vorworten stellt er die verblüffende Vielfalt der Darstellungsmethoden fest und analysiert den allmählichen Wandel bei den Motiven. Damit hat er ein Pionierwerk geschaffen, das auf entspannte Weise Anstöße zum Weiterdenken gibt, derzeit aber leider nirgends zugänglich ist.« (Gottfried Knapp, Bäume, die aus Ohren wachsen. Eine Ausstellung entdeckt Genie und Eigenwillen der Kinderzeichnung. Warum erst jetzt?, in: Süddeutsche Zeitung, 6.8.2015, S.9)

»Und wieder wird die pointierte Gegenüberstellung von dezidiert kirchlichen Kunstwerken aus weit auseinanderliegenden Jahrhunderten mit säkularen Kunstobjekten aus jüngster Zeit dem hohen Anspruch kongenial gerecht, den die auf einen gotischen Sockel aufgesetzte, über archäologischen Ausgrabungen gebreitete moderne Architektur stellt. In den schachtartigen Oberlichträumen an den Ecken des Ausstellungsgeschosses kulminiert das Konfrontationsprinzip in teilweise schrillen Kontrasten. In einem Raum schockiert etwa der abgeschlagene Kopf Johannes des Täufers die Eintretenden: Er liegt so hyperpräsent bleich und blutig auf einer Messing-Servierschüssel, dass man glauben könnte, von einem satanistisch-sadistischen Caterer zum Essen eingeladen worden zu sein. Dem kunstvoll-grausigen Kunstobjekt aus dem 16. Jahrhundert antwortet in der Ecke gegenüber eine still vibrierende abstrakte Farbfläche des Malers Jürgen Paatz mit dem denkbar größten Gegensatz, einem Höchstmaß an bildnerischer Zurückhaltung. In dem zweiten Eckraum begegnet Stefan Lochners herrlich gemalte 'Veilchenmadonna‘ aus dem Jahr 1450, ein farbig leuchtendes Hauptwerk der deutschen Kunstgeschichte, den schlichten zeichnerischen Motivandeutungen Bärbel Messmanns, die bewusst kunstlos sein wollen. Und im dritten Turm wird die dichte Folge pointillistisch vollgestrichelter und -gemalter Künstlerbücher von Heinrich Küpper durch ein naturalistisch erzählendes Kreuztragungsrelief des Münchner-Morisken-Schnitzers Erasmus Grasser (um 1480), durch Marienfiguren aus Meißner Porzellan nach Kändlers Enwturf und durch farbenkräftige moderne Keramikvasen von Otto Wichmann effektvoll kontrapunktiert. Im Grunde könnte ein Diözesanmuseum, das die ausrangierten Kunstobjekte vieler Kirchen verwaltet, all seine Ausstellungen mit dem Titel 'Hinterlassenschaft' versehen. Doch für die jetzige Präsentation hatten die Kölner einen Kronzeugen in den eigenen zeitgenössischen Beständen, der nicht nur den tragenden Titel nahelegte, sondern auch das konsequenteste Exempel einer Aufarbeitung von Hinterlassenem bot. Der Münchner Künstler Kurt Benning, der wie kein anderer beim Sichern von Lebensspuren Humangeschichte sichtbar macht, hat sich, als er 1979 die Wohnung von Verwandten auflösen musste, der ungeheuren Mühe unterzogen, sämtliche vorgefundenen Gegenstände an Ort und Stelle in größtmöglicher Exaktheit beschreibend zu erfassen …. Besonderen Eindruck hinterlässt der Raum, in dem zwei großformatige Fotografien von Gerd Bonfert sich selbst überlassen sind: Sie zeigen Ausblicke durch geschlossene Fenster, die durch überscharfe Jalousie-Muster beziehungsweise die verwischten Umrisse eines Menschen eine fast schon philosophisch-poetische Kraft bekommen. Aber auch Ironie darf sein in Kolumba: Jürgen Klauke lässt in brillanten fotografischen Selbstinszenierungen sein 'Desaströses Ich' triumphieren. Und Stefan Wewerka, dem zum 80. im vergangenen Jahr eine kleine Retrospektive gewidmet ist, treibt seinen Sitzmöbeln die Nutzbarkeit so gründlich aus, dass man sich nach dem Betrachten sogar auf normalgewachsene Möbel nicht mehr zu setzen wagt.« (Gottfried Knapp, Kunst als eine Form der Erinnerung. Das wagemutige Kolumba-Museum in Köln hat sich für ein Jahr ganz neu eingerichtet, in: Süddeutsche Zeitung, 9. November 2009)

»Dieser Bergeraum der Geschichte verbannt die Gedenkkapelle in ein Versteck, er nimmt dem Bau seine Identität. Böhms Architektur kann so das Wunder einer nahezu unversehrt aus dem Kriegsschutt der Kirche geborgenen spätgotischen Madonna nicht mehr im Mittagslicht ihrer Engelsfenster zelebrieren. Es gibt ringsum auch keine mahnenden 'Trümmer' mehr, sondern nur Präparate vergangener Zeit, die sich fugenlos in den Neubau fügen. Eine Einheit wollte und sollte Zumthor schaffen. Zweifellos ist ihm ein auratischer Block gelungen, der viel zu integrieren vermag. Aber diese Integration gelingt nicht durch Fortschreibung der lokalen Tradition, so sehr auch der Grundriss der gotischen Kirche in die Raumdisposition des Ausstsellungshauses hineinwirkt, sondern allein durch die konsequente Musealisierung aller geborgenen Teile. Zumthor ist in Köln ein konzentriertes, solitäres Museum gelungen, das für die Kunst ideale Räume schafft und der zerfahrenen Stadt eine Insel der Ruhe und Harmonie schenkt. Schon nach den ersten Schritten in das halbdunkle Innere kommt der Besucher zur Ruhe. Er spürt, dass dieses Museum keins für eilige Besuchergruppen sondern für Individuen ist – ein Haus, das keine schnellen Passagen bietet, sondern Räume zum Verweilen.« (Ira Mazzoni, Ein Haus, das sich über die Spuren der Geschichte wölbt, Süddeutsche Zeitung, 17.9.2007)
 
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»Klassikkolumne: Musikerinnen und Musiker gibt es, die außergewöhnliche künstlerische Ideen und intellektuelle Fähigkeiten besitzen, öfters in einer der „Normalität“ enthobenen Biografie zuhause. Sie werden gern als Wundertiere und Extremisten gefeiert oder abgestempelt. Die Pianistin Pi-hsien Chen ist wohl eine solche Musikerin, dabei eine stille, in die Tiefe lotende. Im zarten Alter von neun Jahren kam sie aus ihrer Heimat Taiwan nach Köln zu dem Klavierprofessor Hans-Otto Schmidt-Neuhaus, dem Lehrer auch von Karlheinz Stockhausen und Peter Eötvös. Und entpuppte sich pianistisch und musikalisch als derart geisteswach und musikalisch begabt, dass sie 1972, mit einundzwanzig, den als eisenhart gefürchteten Musikwettbewerb der ARD in München als Siegerin verließ. Absolventin in der Hochschulklasse des Pianisten Hans Leygraf und in Wilhelm Kempffs Kursen zu Positano, spielte Chen in Konzertsälen und auf Platten das klassische Repertoire, dann jedoch auch Schönbergs sperrige Klavierstücke. Sie entwickelte ein hochgradiges Vermögen für die von Traditionalisten gern zum Schreckgespenst ausgerufene faszinierende Avantgartekunst von Meistern wie Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez oder John Cage. Welches Kaliber an Reflexion und Musizierlust Pi-hsien Chen verkörpert, die an den Musikhochschulen in Köln und Freiburg als Professorin tätig war, führt eine Box mit Aufnahmen vor, die an einem sehr besonderen Kulturot in Köln entstanden sind. Es sind Live-Mitschnitte von mehreren ihrer Konzertabende in dem einzigartigen, von Architekt Peter Zumthor genial entwofenen Kunstmuseum Kolumba. Inmitten der mittelalterlichen Exponate der Jahresausstellung „Me in a no-time state – Über das Individuum“, ganz nahe bei all den denkenden, lesenden und schreibenden Heiligen- und Engelfiguren, verteilte Pi-hsien Chen vom Steinway aus ihre Schätze: Bachs Kunst der Fuge und Schönbergs komplettes Klavierwerk, Scarlatti-Sonaten, Mozart-Variationen und –Stücke, drei Schubert-Sonaten. Der Kölner Orientalist Navid Kermani war unter den Zuhörern und beschrieb das Konzert als eine „Hörbachmachung“ eine „transzendente Erfahrung“. Die Booklet-Texte zur Musik hat Pi-hsien Chen selbst verfasst. Der Hörer vernimmt in dem warmtönenden, etwas opulenten Raumklang musikalische Deutungen in Klarheit und Helligkeit, der Intensität und Texttreue, die sogar die entfernten Pole Logik und Charme miteinander verbinden kann. „Mitteilungen vom unteilbaren Werk“ – der Box-Titel steht fürs Prinzip ganzheitlichen Hörens (Telosmusic). (Süddeutsche Zeitun, 20.03.2018)

»Aufregender als jede Ausstellung: Die neue Einrichtung des Kölner Kolumba-Museums mit dem Titel „Über das Individuum“ bringt gotische Kirchenplastik, Roboterfiguren und Videokunst zusammen. Die im Jahresrhythmus wechselnden Neueinrichtungen des Kolumba-Museums in Köln gehören zu den aufregendsten Kunstpräsentationen des Jahres. Weil Bildwerke und Kultobjekte ganz unterschiedlicher Epochen und Gattungen dort aufs Lebendigste miteinander und mit den ganz individuellen Räumlichkeiten der umgebenden modernen Museumsarchitektur kommunizieren. Man muss nur in dem von Peter Zumthor über den Ruinen der zerstörten Kolumbakirche errichteten, geheimnisvoll durchlichteten Raum auf dem Zickzacksteg über die Grundmauern römischer, romanischer und gotischer Kultbauten und über die Gräber zahlloser Menschen geschritten sein, um alles, was einem danach in den darüberliegenden Museumsräumen begegnet, mit erhöhter Sensibilität und geschäften Sinnen zu erleben. In dieser Saison trägt die Jahresausstellung den Titel „Über das Individuum“. Mit diesem Stichwort richten die Kuratoren den Blick auf intime Seelenlandschaften, auf die Beschreibungen extremer existenzieller Zustände, aber auch auf die enormen Diskrepanzen, die sich zwischen dem äußeren Erscheinungsbild einer Person, ihren subjektiven Äußerungen und ihren Taten auftun können….«. (Gottfried Knapp. Von eitlen Bildhauern, in: Süddeutsche Zeitung, 18.4.2017)

»Wie spannend die Beschäftigung mit Kinderzeichnungen sein kann, hat kaum jemand eindrucksvoller vorgeführt als der Münchener Künstler, der Spurensicherer Kurt Benning, des es sich zur Aufgabe gemacht hat, Phänomene, die der verloren zu gehen drohen, bildlich, medial oder in Texten festzuhalten. Leider scheint außer dem Kolumba-Museum in Köln kein deutsches Kunstinstitut an solchen Forschungsarbeiten interessiert zu sein. Benning hat die in lockeren Schüben entstandenen Zeichnungen seiner Tochter Noa über drei Jahre hinweg gesammelt und in Bänden zusammengefasst. In seinen Vorworten stellt er die verblüffende Vielfalt der Darstellungsmethoden fest und analysiert den allmählichen Wandel bei den Motiven. Damit hat er ein Pionierwerk geschaffen, das auf entspannte Weise Anstöße zum Weiterdenken gibt, derzeit aber leider nirgends zugänglich ist.« (Gottfried Knapp, Bäume, die aus Ohren wachsen. Eine Ausstellung entdeckt Genie und Eigenwillen der Kinderzeichnung. Warum erst jetzt?, in: Süddeutsche Zeitung, 6.8.2015, S.9)

»Und wieder wird die pointierte Gegenüberstellung von dezidiert kirchlichen Kunstwerken aus weit auseinanderliegenden Jahrhunderten mit säkularen Kunstobjekten aus jüngster Zeit dem hohen Anspruch kongenial gerecht, den die auf einen gotischen Sockel aufgesetzte, über archäologischen Ausgrabungen gebreitete moderne Architektur stellt. In den schachtartigen Oberlichträumen an den Ecken des Ausstellungsgeschosses kulminiert das Konfrontationsprinzip in teilweise schrillen Kontrasten. In einem Raum schockiert etwa der abgeschlagene Kopf Johannes des Täufers die Eintretenden: Er liegt so hyperpräsent bleich und blutig auf einer Messing-Servierschüssel, dass man glauben könnte, von einem satanistisch-sadistischen Caterer zum Essen eingeladen worden zu sein. Dem kunstvoll-grausigen Kunstobjekt aus dem 16. Jahrhundert antwortet in der Ecke gegenüber eine still vibrierende abstrakte Farbfläche des Malers Jürgen Paatz mit dem denkbar größten Gegensatz, einem Höchstmaß an bildnerischer Zurückhaltung. In dem zweiten Eckraum begegnet Stefan Lochners herrlich gemalte 'Veilchenmadonna‘ aus dem Jahr 1450, ein farbig leuchtendes Hauptwerk der deutschen Kunstgeschichte, den schlichten zeichnerischen Motivandeutungen Bärbel Messmanns, die bewusst kunstlos sein wollen. Und im dritten Turm wird die dichte Folge pointillistisch vollgestrichelter und -gemalter Künstlerbücher von Heinrich Küpper durch ein naturalistisch erzählendes Kreuztragungsrelief des Münchner-Morisken-Schnitzers Erasmus Grasser (um 1480), durch Marienfiguren aus Meißner Porzellan nach Kändlers Enwturf und durch farbenkräftige moderne Keramikvasen von Otto Wichmann effektvoll kontrapunktiert. Im Grunde könnte ein Diözesanmuseum, das die ausrangierten Kunstobjekte vieler Kirchen verwaltet, all seine Ausstellungen mit dem Titel 'Hinterlassenschaft' versehen. Doch für die jetzige Präsentation hatten die Kölner einen Kronzeugen in den eigenen zeitgenössischen Beständen, der nicht nur den tragenden Titel nahelegte, sondern auch das konsequenteste Exempel einer Aufarbeitung von Hinterlassenem bot. Der Münchner Künstler Kurt Benning, der wie kein anderer beim Sichern von Lebensspuren Humangeschichte sichtbar macht, hat sich, als er 1979 die Wohnung von Verwandten auflösen musste, der ungeheuren Mühe unterzogen, sämtliche vorgefundenen Gegenstände an Ort und Stelle in größtmöglicher Exaktheit beschreibend zu erfassen …. Besonderen Eindruck hinterlässt der Raum, in dem zwei großformatige Fotografien von Gerd Bonfert sich selbst überlassen sind: Sie zeigen Ausblicke durch geschlossene Fenster, die durch überscharfe Jalousie-Muster beziehungsweise die verwischten Umrisse eines Menschen eine fast schon philosophisch-poetische Kraft bekommen. Aber auch Ironie darf sein in Kolumba: Jürgen Klauke lässt in brillanten fotografischen Selbstinszenierungen sein 'Desaströses Ich' triumphieren. Und Stefan Wewerka, dem zum 80. im vergangenen Jahr eine kleine Retrospektive gewidmet ist, treibt seinen Sitzmöbeln die Nutzbarkeit so gründlich aus, dass man sich nach dem Betrachten sogar auf normalgewachsene Möbel nicht mehr zu setzen wagt.« (Gottfried Knapp, Kunst als eine Form der Erinnerung. Das wagemutige Kolumba-Museum in Köln hat sich für ein Jahr ganz neu eingerichtet, in: Süddeutsche Zeitung, 9. November 2009)

»Dieser Bergeraum der Geschichte verbannt die Gedenkkapelle in ein Versteck, er nimmt dem Bau seine Identität. Böhms Architektur kann so das Wunder einer nahezu unversehrt aus dem Kriegsschutt der Kirche geborgenen spätgotischen Madonna nicht mehr im Mittagslicht ihrer Engelsfenster zelebrieren. Es gibt ringsum auch keine mahnenden 'Trümmer' mehr, sondern nur Präparate vergangener Zeit, die sich fugenlos in den Neubau fügen. Eine Einheit wollte und sollte Zumthor schaffen. Zweifellos ist ihm ein auratischer Block gelungen, der viel zu integrieren vermag. Aber diese Integration gelingt nicht durch Fortschreibung der lokalen Tradition, so sehr auch der Grundriss der gotischen Kirche in die Raumdisposition des Ausstsellungshauses hineinwirkt, sondern allein durch die konsequente Musealisierung aller geborgenen Teile. Zumthor ist in Köln ein konzentriertes, solitäres Museum gelungen, das für die Kunst ideale Räume schafft und der zerfahrenen Stadt eine Insel der Ruhe und Harmonie schenkt. Schon nach den ersten Schritten in das halbdunkle Innere kommt der Besucher zur Ruhe. Er spürt, dass dieses Museum keins für eilige Besuchergruppen sondern für Individuen ist – ein Haus, das keine schnellen Passagen bietet, sondern Räume zum Verweilen.« (Ira Mazzoni, Ein Haus, das sich über die Spuren der Geschichte wölbt, Süddeutsche Zeitung, 17.9.2007)