Kolumba
Kolumbastraße 4
D-50667 Köln
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April 2020 bis April 2021
Fünf kuratorische Statements zur Kulturpolitik
während der Corona-Pandemie


Hü-Hott
Warum Kolumba über Ostern 2021 geschlossen bleibt
Unser Corona-Statement Nr. V – Eine Chronik

Um die Situation zu verstehen und eine Entscheidung über Schließung oder Öffnung des Museums herbeizuführen, ist es hilfreich, sich die vergangenen Wochen in Erinnerung zu rufen:
Als am 4. März entschieden wurde, dass wir nach viermonatiger Schließzeit wieder öffnen dürfen, haben wir aus dem Stand die für Museen ungewöhnliche Vorgabe umgesetzt, dass Besuche nur nach vorheriger Terminvergabe möglich sind. Mit erweiterten Öffnungszeiten haben wir zwei vierstündige Zeitfenster realisiert, innerhalb derer man ab 10. März kommen und gehen konnte, wann man wollte. Die Buchungen, die wir persönlich entgegengenommen und per mail bestätigt haben, nahmen rasch im Umfang zu. Mit maximal 40 Gästen in vier Stunden war die Atmosphäre extrem entspannt, die liebenswerten Reaktionen haben uns sehr gefreut.
Am 19. März (es war Freitagnachmittag!) folgte die Entscheidung des städtischen Krisenstabes, dass Besuche ab folgendem Montag nur noch nach Vorlage eines aktuellen Schnelltest möglich seien. Die Folge war nicht nur die Verärgerung derer, die wir trotz Terminbuchung nicht einlassen durften, vielmehr brachen die Besuchszahlen so drastisch ein, das wir meist mehr Aufsichtskräfte als Gäste zählen konnten.
Am 22. März, nur drei Tage später, stand nach der Sitzung der Bund-Länder-Kommission fest, dass die Museen bei einer Inzidenzzahl von über 100 ab Montag, dem 29. März, wieder geschlossen bleiben müssten. Dieser Beschluss wurde noch am folgenden Tag für das Land NRW bestätigt. Folglich durften wir alle bereits gebuchten Termine für die Woche vor Ostern und die Ostertage absagen.
Am gestrigen 29. März kommt nun die Mitteilung des Kölner Krisenstabes über das Presseamt der Stadt, dass angesichts des »anhaltend hohen Inzidenzwertes … verschärfte Regeln« im öffentlichen Raum wie bei privaten Treffen gelten und eine »Ausnahme von der Notbremse lediglich für die Museen für vertretbar« gehalten werde, die daher ab Mittwoch wieder öffnen würden…
Das ist dumm gelaufen, denn wer soll ab Mittwoch eingelassen werden, wo wir den erforderlichen Buchungsvorlauf vergangene Woche haben einstellen müssen? Wie soll man Museums- und Testtermine in Deckung bringen, wenn in Köln die Testkapazitäten nach wie vor unzureichend sind? Wie soll man verstehen, dass die Museen trotz großer Räume, optimierter Belüftungsanlagen und einer genauen Kontrolle der Anzahl ihrer Gäste Termine vergeben und einen Testnachweis verlangen, wo man sich in den Gängen der Drogeriemärkte und Discounter auf den Füßen steht? Müssen Kinder und Jugendliche, in deren Altersgruppe sich die britische Mutante des Virus zuletzt stark verbreitet, auch einen Testnachweis mitbringen? Und was macht es überhaupt für einen Sinn, den Test der Gäste vorauszusetzen, wenn für das Aufsichtspersonal, das wir gerade erst wieder in die Kurzarbeit verabschiedet haben, nicht gleiches gilt?
Im Abwägen der Umstände sind wir zu der Entscheidung gekommen, Kolumba weiterhin geschlossen zu halten. Das fällt uns außerordentlich schwer, denn »Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir« ist in Zeiten zahlreicher Kontaktbeschränkungen durchaus anregend. Es erscheint uns jedoch angesichts der »besorgniserregenden Situation« von der im Schreiben der Stadt die Rede ist, die angemessene Haltung zu sein. Auf die uns zugewiesene Sonderrolle der Museen wollen wir verzichten, denn unabhängig davon, dass sie organisatorisch nicht zu Ende gedacht ist, sehen wir uns nicht als Spielball unkoordinierter Entscheidungen kommunaler, landes- und bundesweiter Krisenstäbe.
Stets bereit, alle Maßnahmen zur Risikominimierung des Infektionsgeschehens umzusetzen, erwarten wir von Seiten der Politik ein Minimum an Planungssicherheit, damit wir den Betrieb des Museums gegenüber allen Beteiligten verantworten können. Mit der selbstverordneten Ruhe an den Ostertagen wollen wir die weitere Entwicklung der Pandemie abwarten und hoffen, unsere Gäste möglichst bald wieder in Kolumba begrüßen zu können. Bis dahin empfehlen wir Ihrer Neugierde die neuen »Hörstücke« auf der Homepage www.kolumba.de und bitten Sie um Verständnis für unsere Entscheidung. Wir wünschen Ihnen ein frohes Osterfest!

Für das Kolumbateam
Stefan Kraus, Ulrike Surmann, Marc Steinman, Barbara von Flüe
Köln, in der Karwoche 2021


Damit leben…
Zur Wiederöffnung nach vier Monaten Lockdown
Unser Corona-Statement Nr. IV

Nun also mit Terminvergabe! Immerhin das haben wir Museen nach den heutigen Beschlüssen der Bundes- und Länderregierungen mit den Frisiersalons gemeinsam. Wir spielen das mal gerade durch: Möchten Sie den beliebten Stefan Lochner-Shortcut (25 Min.), die Dauerwelle als »Tragedia Civile« (1 ½ Stunden) oder gar die mehrfarbigen Strähnchen von Simon Troger (3 Stunden)? Rufen Sie an, wir buchen Sie ein…
Vielleicht merken Sie an diesen Beispielen, wie überraschend – um nicht zu schreiben weltfremd – die unangekündigte Vorgabe aus der Sicht der Museen anmutet. Denn während es für die weiterhin geschlossenen Theater und Konzerthäuser selbstverständlich ist, die Anzahl der Besucher_innen bei zeitlich definierten Aufführungen über ein Ticketing zu kontrollieren, wird es vor allem für kleinere Museen schwierig werden, den damit verbundenen organisatorischen Aufwand technisch und personell zu leisten. Möchte man die Kontrolle darüber haben, wie viele Menschen sich gleichzeitig in einem Museum aufhalten, ohne ihnen ein zeitliches Limit vorschreiben zu müssen, wären Angaben zum Verhältnis von Besucherzahl und Quadratmetern sowie die laufende Zählung an Ein- und Ausgang der weitaus bessere Weg. So haben wir es im vergangenen Jahr mit weiteren Maßnahmen praktiziert und längst stand von den Kulturschaffenden die Forderung im Raum, bei einer Risikoabwägung öffentliche Orte stärker zu differen-zieren. Bei großzügigen Ausstellungsflächen, außergewöhnlichen Raumhöhen und einem kontrollierten Luftaustausch bieten die meisten Museen eine Situation an, deren Gefährdungspotential weit unter dem des privaten Lebens liegen dürfte.
Uns allen ist längst bewusst, dass wir mit der Pandemie leben müssen. Weder Test- noch Impfkampagnen werden daran etwas ändern. Corona wird nicht bald zu Ende sein, es wird sich wandeln und uns dazu auffordern, achtsam und in unseren Planungen beweglich zu bleiben. Solange Veranstaltungen und geführte Rundgänge nicht stattfinden können, bleibt unser Auftrag ohnehin beschränkt.
Mit der Pandemie leben müssen, bedeutet auch, dass wir nicht länger ohne Kultur auskommen können. Sie ist der Kit der Gesellschaft und individueller Resonanzraum. Deshalb haben wir Formate entwickelt, die nicht nach Corona-Ersatz schmecken, sondern unser Vermittlungs-angebot über die Homepage sinnvoll und auf Dauer in den digitalen Bereich hinein erweitern. Verfolgen Sie auf www.kolumba.de die Hörstücke »KlangWerk« und »La Voix off« und besuchen Sie ab 8. März das »Museum im Körper«. Am 26. März startet die filmische Folge der »Encounters«, die in Koproduktion mit dem Deutschen Tanzarchiv und mit tanz.köln Menschen wie Isadora Duncan, Friedrich Nietzsche und Hugo von Hofmannsthal ins Gespräch bringen wird.
Am Ort haben wir die Öffnungszeiten bis auf weiteres von 10 bis 18 Uhr um drei Stunden täglich erweitert. In zwei vierstündigen(!) Zeitfenstern können Sie uns täglich außer dienstags besuchen – nach Voranmeldung. Wir freuen uns auf Sie!

Für das Kolumbateam
Stefan Kraus, Ulrike Surmann, Marc Steinmann, Barbara von Flüe
Köln, 4. März, in der Fastenzeit 2021


Kunstfreiheit
Zur Rolle der Museen in Zeiten der Pandemie
Unser Corona-Statement Nr. III

Wie bei den Beschlüssen des ersten Lockdowns wiederholt sich mit der gestern von Bund und Ländern getroffenen Maßnahme der Umstand, dass bei der Auflistung der zu schließenden Einrichtungen von Theatern und Konzerthäusern bis hin zu Spaßbädern und Bordellen so ziemlich alles genannt ist, was das gesellschaftliche Leben zu bieten hat, die Institution Museum aber zunächst ungenannt bleibt.
Einmal abgesehen davon, dass für uns Museumskurator*innen dadurch erneut eine Situation der Planungsunsicherheit entsteht, ist dieser Umstand insofern verwunderlich, als es sich bei den Museen gerade um jene Freizeiteinrichtungen handelt, die quantitativ noch vor den Fußballstadien die meisten Besucher*innen aufweisen können. Ist es zu weit gegriffen, aus der Nichtnennung der Museen abzuleiten, dass sie im politischen Denken keine Rolle spielen? Darf man daraus schließen, dass die Museen zwar als Garnitur eines vergnüglichen Sonntags akzeptiert sind, nicht aber in ihrer politischen Funktion, etwa als Bildungsinstitution zum Verständnis von Geschichte (auch zur Relativierung von Krisenzeiten), als Identitätsträger einer pluralistischen Gesellschaft oder als Ort des ästhetischen und spirituellen Ausgleichs?
Bei Durchsicht der Einrichtungen, die im Lockdown geöffnet bleiben, können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, und dass wirtschaftliche Erwägungen dabei die erste Rolle spielen. Aber weshalb lässt man diesen Aspekt bei der undifferenzierten Schließung der Kultureinrichtungen außer Acht? Wie werden Künstler*innen, Schauspieler*innen, Musiker*innen, die ganze freie Szene und alle, denen wir unser Kulturleben verdanken, diese Zeit überstehen können? Wie lange halten die Träger der Kultureinrichtungen durch, deren Finanzierung ohne Einnahmen zu garantieren? Sind wir zu pessimistisch, danach zu fragen, wie eine in Teilen kulturlose Gesellschaft nach Corona funktionieren soll?
Als Kunstmuseum ringen wir in einer auf Ökonomie und Effizienz getrimmten Zeit immer wieder um Legitimation, geht es hier doch darum, dem ästhetischen Spiel und der Phantasie einen Freiraum zu bieten. Der Freiraum, den die Kunst für sich beansprucht, reklamiert die politische Funktion der Ästhetik. Denn das Risiko des Museumsbesuchs stellt auch in Zeiten von Corona weniger die Gefahr der Infektion dar. Hier haben wir gegenüber den Konzerthäusern und Theatern den Vorteil, durch den individuellen Rundgang, große Raumvolumen, die Setzung von Regeln und deren Beaufsichtigung mehr Sicherheit garantieren zu können. Das Risiko des Museumsbesuchs liegt vielmehr prinzipiell im Potential seiner Inhalte.
Als »Museum der Nachdenklichkeit« regt Kolumba an zur Reflexion über sich selbst, über die/den Andere_n, über gesellschaftliche Konventionen und Werte, den Glauben, die Zeit usw. In der existentiellen Krise, die sich für jede_n Einzelne_n ebenso stellt wie für das Gemeinwesen der Demokratie, bietet das Kunstmuseum einmal mehr ein Angebot der Anregung und des Ausgleichs. Als Ort des Austauschs, der Freude, der Hoffnung, des Trostes und der Freiheit würde er dringender benötigt, denn je zuvor. Wir sehen uns – hoffentlich bald wieder.
Passen Sie auf sich und andere auf!

Für das Kolumbateam
Stefan Kraus, Ulrike Surmann, Marc Steinmann, Barbara von Flüe
Köln, zu Allerheiligen, November 2020


Privileg
Zur Situation des Kulturbetriebs nach zwei Monaten Lockdown
Unser Corona-Statement Nr. II

Kulturschaffende sind sich des Privilegs bewusst, an etwas zu arbeiten, das einem existentiell wichtig und daher wesentlich ist. Nicht selten ist dieses Privileg durch Selbstausbeutung erkauft, insofern der Leidenschaft, mit der man an der »Sache« hängt, eine systemische Unterfinanzierung weiter Bereiche des Kulturbetriebs gegenübersteht. Die Grundabsicherung vieler Beteiligter ist nicht nur in Krisenzeiten wie dieser völlig unzureichend. Fallen die Rahmenbedingungen des Betriebs aus, stehen Freischaffende ohne Ausfallzahlungen oft mittellos vor dem Nichts. Das ist nach zwei Monaten Lockdown auch die Situation etlicher Künstlerinnen und Künstler, die nun mehr benötigen als wohlmeinende Solidaritätsbekundungen.
Ein Privileg ist es auch, mit Kolumba eine Institution vertreten zu können, deren Museumskonzept sich in der Krise dadurch bewährt, dass wir handlungsfähig bleiben. Denn da wir fast ausschließlich mit den Werken der eigenen Sammlung arbeiten, sind wir weder in vertraglich zugesagte Ausstellungsübernahmen und Leihgabenverhandlungen verstrickt, die sich unter veränderten Bedingungen nicht erfüllen lassen, noch mit Sponsoren konfrontiert, die ihre Finanzierungsabsichten nun nicht aufrecht erhalten können. Mit der Beschränkung auf die eigenen Ressourcen bewahren wir uns die Beweglichkeit, die es braucht, um auf die sich weiterhin verändernde Situation reagieren zu können. Dabei vergessen wir nicht die Lage anderer Kultureinrichtungen, die bis auf Weiteres an ihrer Arbeit gehindert sind. Schauspielerinnen und Schauspieler können sich kaum in Proben begegnen, Orchester sollen Mindestabstände ihrer Ensemblemitglieder einhalten, die das gemeinsame Musizieren verhindern, an Theatern, Opern und Konzerthäusern ist alles abgesagt, plant man mit den notwendigen Vorlaufzeiten für eine kommende Spielzeit, deren Realisierbarkeit in den Sternen steht.
Krisen haben die Nebenwirkung, dass sie Zustände hervortreten lassen, deren Fragwürdigkeit längst bekannt war. Diese Feststellung gilt nicht nur für Schlachthöfe. Welche Forderungen stellen sich an den Kulturbetrieb, wenn den beteiligten Autorinnen, den Akteuren und Vermittlerinnen und nicht zuletzt den Mitarbeitern der weitgehend outgesourcten Dienstleistungen eine krisenfeste Absicherung ihrer Existenz ermöglicht werden soll? Welche Korrekturen sind notwendig, wenn soziale und ökologische Fragen hinter den Kulissen die gleiche Berücksichtigung finden wie auf der Bühne und in Ausstellungen, wo sie oft genug thematisiert werden? Es ist längst an der Zeit, auch in der Kultur über eine stärkere Nachhaltigkeit nachzudenken, die zu anderen Formaten und zu unerwarteten Kooperationen führt, in denen sich vorhandene Ressourcen ergänzen.
Deshalb freuen wir uns, die einjährige Zusammenarbeit mit Tanz Köln bekannt zu geben, die mit unserem jährlichen Ausstellungswechsel im September beginnen wird. Seit eineinhalb Jahren arbeiten wir mit Hanna Koller, der Leiterin der Sparte Tanz beim Schauspiel Köln, an dieser Kooperation. Sie wird als fünfte Kuratorin im kommenden Ausstellungsjahr dabei sein.
Wir wissen um das Privileg, das uns in schwierigen Zeiten unseren Auftrag erfüllen und unser Publikum finden lässt. Es verpflichtet uns dazu, es auch weiterhin zu nutzen. Lassen Sie uns gemeinsam auf die Zukunft der Kultur hoffen und für die Akzeptanz ihrer vielfältigen Spielorte eintreten!

Für das Kolumbateam
Stefan Kraus, Ulrike Surmann, Marc Steinmann, Barbara von Flüe
Köln, vor Pfingsten, Mai 2020


Sammlung
Eine Zustandsbeschreibung und eine »Inventur« von Eric Hattan
Corona-Statement Nr. 1

»Fassungslos« ist vielleicht das richtige Wort, dass den Zustand beschreibt, in dem wir uns gerade befinden. Die Welt ist im Krisen–modus und viele für uns selbstverständliche Lebensbedingungen sind derzeit eingeschränkt oder ganz entzogen. Das fängt mit den alltäg–lichen Gewohnheiten im Privat- und Arbeitsleben an, blockiert unser gesamtes Wirtschafts- und Sozialleben und endet mit dem einsamen Sterben vieler in Zeiten einer hochansteckenden Pandemie. Wir sind fassungslos, weil Rahmenbedingungen fehlen, die uns Halt geben, unsere Freiheit garantieren, uns orientieren, planen und handeln lassen.
Kolumba ist seit Wochen geschlossen und das ausgerechnet mit einer Jahresausstellung, die sich unter dem Titel »Aufbrüche« mit der Rolle von Kunst in Zeiten der Krise beschäftigt. Wir wissen weder wann dieser Zustand endet noch wohin er führt, aber es ist absehbar, dass das Jahr 2020 eine vermutlich stärkere Wegmarke setzen wird als die Jahre 1919, 1949 und 1969, an denen sich die Ausstellung orientiert. Mit der Reihe der »Gespräche zur Zeit« hatten wir ein passendes Format gewählt, um gemeinsam mit eingeladenen Gästen die Lage zu befragen, sich zu erinnern und zu vertiefen, um mit dem Blick zurück in die Gegenwart schauen und eine Zukunft wagen zu können. Doch was macht ein Museum, wenn es geschlossen ist? Was machen Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittler ohne Gäste? Gibt es Kunst ohne Publikum?
Zeiten der Krise bergen eine Chance: Sie zwingen uns dazu, Vorhandenes zu überprüfen, gegebenenfalls umzudenken, neue Wege zu gehen und Nischen aufzusuchen. Sie zwingen uns, nach Innen zu gehen – zur Sammlung. Man könnte ja einiges machen: Virtuelle Museumsrundgänge; vielleicht eine erweiterte Form der Filme, die wir auf unserer Homepage zu jedem neuen Ausstellungsjahr ohnehin anbieten; kurze digitale Werkbesprechungen, das »Bild der Woche« oder das »Kunstwerk zur Zeit« als wöchentlicher Podcast. Man könnte mit dem Hall der leeren Räume geheimnisvolle Selfies für Facebook und Instagram drehen. Man könnte auf Flickr dazu einladen, private Kolumbafotos hochzuladen und zu kommentieren, einen Blog zum Thema starten, zu Skype-Vorträgen einladen usw.
Macht das Sinn? So wie jede und jeder von uns unter den gegebenen Umständen eine eigene Haltung finden muss, so sollte jede Institution aus ihren eigenen Bedingungen heraus denken und entscheiden können. Ist es für die meisten Kulturreinrichtungen nicht fatal, wenn der Eindruck entsteht, man könne ihre Schließung durch Formate überbrücken, bei denen das Wesentliche – die Präsenz, der Moment, das Gemeinsame – nicht mitgeliefert werden kann? Für Kolumba gilt der Verlust in besonderem Maße, denn als »Museum der Nachdenklichkeit« betonen wir die Möglichkeit, sich über den realen Raum an Ort und Zeit zu binden. Dazu zählen alle Details, die das Besondere der Atmosphäre, der Räume, der Ausstellungen und Veranstaltungen ausmachen. Selbst für die Reihe der »Gespräche zur Zeit« gilt diese Feststellung, denn die Intimität des Lesezimmers stellt ohne Verstärkertechnik einen Rahmen, der das Gespräch als etwas Selbstverständliches und damit persönliche Inhalte ermöglicht.
Nun bezieht sich der Begriff »Museum« auf zweierlei: auf den inszenierten Raum, dessen Erlebnisqualität durch nichts zu ersetzen ist, und auf die Sammlung, das Depot als Ressource. Auf Letzteres bezieht sich der Schweizer Künstler Eric Hattan in seiner Arbeit »Inventur«, die wir zum zehnten Jubiläum von Kolumba (2017) in den leeren Ausstellungsräumen gezeigt haben. Besuchen Sie uns – im Depot:
»Bilderrechen«
»Heiligenlager«
»Designgestellfahrt«
»Profiterolles«
»on mars«

Wir wünschen Ihnen frohe Ostern!
Geben Sie auf sich und andere acht.
Für das Kolumbateam
Stefan Kraus, Ulrike Surmann, Marc Steinmann, Barbara von Flüe
Köln, Ostersonntag, 12. April 2020
Kunstmuseum
des Erzbistums Köln

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12/24 On SITE
24/25 Kioskgespräche
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12/24 Klavierabend
12/24 Toniponal
11/24 Theaterpreis
11/24 Klangwerkstatt
11/24 Für aller Seelen 6
08/24 Materialkarussell
06/24 Rheinische Musikschule zu Gast
3-6/24 Schulen zu Gast
02/24 Peace upon you, Jerusalem
1-8/24 Required Reading
01/24 Freundschaft ist Freude
11/23 Klangwerkstatt
11/23 Für Aller Seelen 5
10/23 Der andere Blick auf Kunst
08/23 Ein ukrainisches Kolumba
08/23 Bücher-Sonderverkauf
06/23 Un Film Dramatique
05/23 Kunsthaus Kalk-Atelier
04/23 Antarktis-Schaltung
01/23 Das Lesezimmer
11/22 Klangwerkstatt
11/22 Für Aller Seelen 4
11/22 mit Blick auf ...
07/22 Vortrag Linda Wiesner
05/22 Vortrag Rolf Lauer
11/21 Klangwerkstatt
11/21 Für Aller Seelen 3
08/21 New Ocean Sea Cycle
08/21 Kunst kommt aus dem Schnabel
07/21 Kunst als körperliches Erlebnis?
07/21 DE-COR (lake)
07/21 Performance Richard Tuttle
06/21 BODY TALE
20/21 Corona-Statements
02/21 Tonspur_Achim Lengerer
09/20 Fritz Hauser
05/20 Pfingstgottesdienst der ARD
01/20 Gespräche zur Zeit
01/20 Sternsinger
11/19 Theaterpreis
11/19 Klangwerkstatt
11/19 Für Aller Seelen 2
10/19 Restaurierungs-Werkstatt
10/19 Offenbach-Werkstatt
09/19 Bundespräsident
04/19 Religion und Humor
12/18 Büro-Termine
12/18 Finissage Michael Oppitz
11/18 Klangwerkstatt
11/18 Circumstance
18/06 Kolumba zu Gast
04/18 Ringvorlesung
02/18 Aktionstag des Berufskollegs
12/17 Schenkung Renate König
11/17 Klangwerkstatt
08/17 Zehn Jahre Kolumba
07/17 Flötenwerkstatt
06/17 Fronleichnam
06/17 Thomas-Morus-Akademie
06/17 Vortrag Rüdiger Joppien
04/17 Künstlergespräch
03/17 Schulen zu Gast V
03/17 Künstlergespräch
01/17 Konzertreihe
11/16 Klangwerkstatt
11/16 Konzert E-MEX Ensemble
10/16 VII. Albert Gespräch
07/16 Erzählter Vortrag
06/16 Eric Hattan & Julian Sartorius
06/16 Oper Köln - Liederabend
05/16 new talents
05/16 Harvey Death of Light
12/15 Trickfilmwerkstatt
11/15 Ukulelen-Ensemble
11/15 Lesewerkstatt
11/15 Klangwerkstatt
10/15 E-MEX Ensemble
10/15 Winterreise
10/15 Albert-Gespräch
09/15 European Workshop
09/16 Lesestunde
09/15 Lesung Navid Kermani
08/15 Love & Diversity
07/15 Ensemble Unterwegs
06/15 FORSETI feat. subsTANZ
06/15 Oper Köln zu Gast
03/15 Trickfilmwerkstatt
11/14 Tonspur (Achim Lengerer)
11/14 Edith Stein Tagung
11/14 Klangwerkstatt
10/14 Philosophisches Gespräch
10/14 E-MEX-Ensemble
10/14 Albert-Gespräch
10/14 Philosophisches Seminar
06/14 Schulen zu Gast III
05/14 Ensemble Garage
05/14 Veranstaltungen Intervention
04/14 start:review
04/14 West Coast Soundings
02/14 Barlach-Haus
12/13 Ukulelen-Ensemble
11/13 Tanzperformance
11/13 Klangwerkstatt
10/13 E-MEX-Ensemble
10/13 Albert-Gespräch
07/13 Katrin Zenz
06/13 Frank Gratkowski
06/13 HornroH Duo
05/13 Performances
03/13 Horatiu Radulescu
11/12 Klangwerkstatt
10/12 E-MEX-Ensemble
09/12 Mädchenkantorei
08/12 Cage: Empty Words
08/12 Schulen zu Gast II
08/12 Allen Malern herzlichen...
07/12 Tischgespräche
06/12 Tischkonzert
06/12 Kammer der Andacht
05/12 episteme
05/12 new talents
04/12 Cage: A Collection of Rocks
03/12 Cage: Number Pieces
03/12 Hans Otte
11/11 Klangwerkstatt
10/11 Albert-Gespräch
09/11 Implodierender Schreibtisch
07/11 Finissage
07/11 Schulen zu Gast I
11/10 Klangwerkstatt
11/10 Joseph Marioni
10/10 Albert-Gespräch
06/10 Steffen Krebber
05/10 Heilig-Geist-Retabel
02/10 Bernhard Leitner
02/10 Aschermittwoch
11/09 Klangwerkstatt
09/09 Andor Weininger
11/08 Klangwerkstatt
10/08 Donaueschinger Musiktage
06/08 Kolumba singt!
05/08 Katholikentag
04/08 Verabschiedung JMP
02/08 Alphornbläser
12/07 Deutschlandradio live
04/07 Art Cologne
08/05 1st view!
12/04 Die Pietà aus St. Kolumba
11/03 Schauspielhaus Köln
 
www.kolumba.de

KOLUMBA :: Veranstaltungen :: 20/21 Corona-Statements

April 2020 bis April 2021
Fünf kuratorische Statements zur Kulturpolitik
während der Corona-Pandemie


Hü-Hott
Warum Kolumba über Ostern 2021 geschlossen bleibt
Unser Corona-Statement Nr. V – Eine Chronik

Um die Situation zu verstehen und eine Entscheidung über Schließung oder Öffnung des Museums herbeizuführen, ist es hilfreich, sich die vergangenen Wochen in Erinnerung zu rufen:
Als am 4. März entschieden wurde, dass wir nach viermonatiger Schließzeit wieder öffnen dürfen, haben wir aus dem Stand die für Museen ungewöhnliche Vorgabe umgesetzt, dass Besuche nur nach vorheriger Terminvergabe möglich sind. Mit erweiterten Öffnungszeiten haben wir zwei vierstündige Zeitfenster realisiert, innerhalb derer man ab 10. März kommen und gehen konnte, wann man wollte. Die Buchungen, die wir persönlich entgegengenommen und per mail bestätigt haben, nahmen rasch im Umfang zu. Mit maximal 40 Gästen in vier Stunden war die Atmosphäre extrem entspannt, die liebenswerten Reaktionen haben uns sehr gefreut.
Am 19. März (es war Freitagnachmittag!) folgte die Entscheidung des städtischen Krisenstabes, dass Besuche ab folgendem Montag nur noch nach Vorlage eines aktuellen Schnelltest möglich seien. Die Folge war nicht nur die Verärgerung derer, die wir trotz Terminbuchung nicht einlassen durften, vielmehr brachen die Besuchszahlen so drastisch ein, das wir meist mehr Aufsichtskräfte als Gäste zählen konnten.
Am 22. März, nur drei Tage später, stand nach der Sitzung der Bund-Länder-Kommission fest, dass die Museen bei einer Inzidenzzahl von über 100 ab Montag, dem 29. März, wieder geschlossen bleiben müssten. Dieser Beschluss wurde noch am folgenden Tag für das Land NRW bestätigt. Folglich durften wir alle bereits gebuchten Termine für die Woche vor Ostern und die Ostertage absagen.
Am gestrigen 29. März kommt nun die Mitteilung des Kölner Krisenstabes über das Presseamt der Stadt, dass angesichts des »anhaltend hohen Inzidenzwertes … verschärfte Regeln« im öffentlichen Raum wie bei privaten Treffen gelten und eine »Ausnahme von der Notbremse lediglich für die Museen für vertretbar« gehalten werde, die daher ab Mittwoch wieder öffnen würden…
Das ist dumm gelaufen, denn wer soll ab Mittwoch eingelassen werden, wo wir den erforderlichen Buchungsvorlauf vergangene Woche haben einstellen müssen? Wie soll man Museums- und Testtermine in Deckung bringen, wenn in Köln die Testkapazitäten nach wie vor unzureichend sind? Wie soll man verstehen, dass die Museen trotz großer Räume, optimierter Belüftungsanlagen und einer genauen Kontrolle der Anzahl ihrer Gäste Termine vergeben und einen Testnachweis verlangen, wo man sich in den Gängen der Drogeriemärkte und Discounter auf den Füßen steht? Müssen Kinder und Jugendliche, in deren Altersgruppe sich die britische Mutante des Virus zuletzt stark verbreitet, auch einen Testnachweis mitbringen? Und was macht es überhaupt für einen Sinn, den Test der Gäste vorauszusetzen, wenn für das Aufsichtspersonal, das wir gerade erst wieder in die Kurzarbeit verabschiedet haben, nicht gleiches gilt?
Im Abwägen der Umstände sind wir zu der Entscheidung gekommen, Kolumba weiterhin geschlossen zu halten. Das fällt uns außerordentlich schwer, denn »Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir« ist in Zeiten zahlreicher Kontaktbeschränkungen durchaus anregend. Es erscheint uns jedoch angesichts der »besorgniserregenden Situation« von der im Schreiben der Stadt die Rede ist, die angemessene Haltung zu sein. Auf die uns zugewiesene Sonderrolle der Museen wollen wir verzichten, denn unabhängig davon, dass sie organisatorisch nicht zu Ende gedacht ist, sehen wir uns nicht als Spielball unkoordinierter Entscheidungen kommunaler, landes- und bundesweiter Krisenstäbe.
Stets bereit, alle Maßnahmen zur Risikominimierung des Infektionsgeschehens umzusetzen, erwarten wir von Seiten der Politik ein Minimum an Planungssicherheit, damit wir den Betrieb des Museums gegenüber allen Beteiligten verantworten können. Mit der selbstverordneten Ruhe an den Ostertagen wollen wir die weitere Entwicklung der Pandemie abwarten und hoffen, unsere Gäste möglichst bald wieder in Kolumba begrüßen zu können. Bis dahin empfehlen wir Ihrer Neugierde die neuen »Hörstücke« auf der Homepage www.kolumba.de und bitten Sie um Verständnis für unsere Entscheidung. Wir wünschen Ihnen ein frohes Osterfest!

Für das Kolumbateam
Stefan Kraus, Ulrike Surmann, Marc Steinman, Barbara von Flüe
Köln, in der Karwoche 2021


Damit leben…
Zur Wiederöffnung nach vier Monaten Lockdown
Unser Corona-Statement Nr. IV

Nun also mit Terminvergabe! Immerhin das haben wir Museen nach den heutigen Beschlüssen der Bundes- und Länderregierungen mit den Frisiersalons gemeinsam. Wir spielen das mal gerade durch: Möchten Sie den beliebten Stefan Lochner-Shortcut (25 Min.), die Dauerwelle als »Tragedia Civile« (1 ½ Stunden) oder gar die mehrfarbigen Strähnchen von Simon Troger (3 Stunden)? Rufen Sie an, wir buchen Sie ein…
Vielleicht merken Sie an diesen Beispielen, wie überraschend – um nicht zu schreiben weltfremd – die unangekündigte Vorgabe aus der Sicht der Museen anmutet. Denn während es für die weiterhin geschlossenen Theater und Konzerthäuser selbstverständlich ist, die Anzahl der Besucher_innen bei zeitlich definierten Aufführungen über ein Ticketing zu kontrollieren, wird es vor allem für kleinere Museen schwierig werden, den damit verbundenen organisatorischen Aufwand technisch und personell zu leisten. Möchte man die Kontrolle darüber haben, wie viele Menschen sich gleichzeitig in einem Museum aufhalten, ohne ihnen ein zeitliches Limit vorschreiben zu müssen, wären Angaben zum Verhältnis von Besucherzahl und Quadratmetern sowie die laufende Zählung an Ein- und Ausgang der weitaus bessere Weg. So haben wir es im vergangenen Jahr mit weiteren Maßnahmen praktiziert und längst stand von den Kulturschaffenden die Forderung im Raum, bei einer Risikoabwägung öffentliche Orte stärker zu differen-zieren. Bei großzügigen Ausstellungsflächen, außergewöhnlichen Raumhöhen und einem kontrollierten Luftaustausch bieten die meisten Museen eine Situation an, deren Gefährdungspotential weit unter dem des privaten Lebens liegen dürfte.
Uns allen ist längst bewusst, dass wir mit der Pandemie leben müssen. Weder Test- noch Impfkampagnen werden daran etwas ändern. Corona wird nicht bald zu Ende sein, es wird sich wandeln und uns dazu auffordern, achtsam und in unseren Planungen beweglich zu bleiben. Solange Veranstaltungen und geführte Rundgänge nicht stattfinden können, bleibt unser Auftrag ohnehin beschränkt.
Mit der Pandemie leben müssen, bedeutet auch, dass wir nicht länger ohne Kultur auskommen können. Sie ist der Kit der Gesellschaft und individueller Resonanzraum. Deshalb haben wir Formate entwickelt, die nicht nach Corona-Ersatz schmecken, sondern unser Vermittlungs-angebot über die Homepage sinnvoll und auf Dauer in den digitalen Bereich hinein erweitern. Verfolgen Sie auf www.kolumba.de die Hörstücke »KlangWerk« und »La Voix off« und besuchen Sie ab 8. März das »Museum im Körper«. Am 26. März startet die filmische Folge der »Encounters«, die in Koproduktion mit dem Deutschen Tanzarchiv und mit tanz.köln Menschen wie Isadora Duncan, Friedrich Nietzsche und Hugo von Hofmannsthal ins Gespräch bringen wird.
Am Ort haben wir die Öffnungszeiten bis auf weiteres von 10 bis 18 Uhr um drei Stunden täglich erweitert. In zwei vierstündigen(!) Zeitfenstern können Sie uns täglich außer dienstags besuchen – nach Voranmeldung. Wir freuen uns auf Sie!

Für das Kolumbateam
Stefan Kraus, Ulrike Surmann, Marc Steinmann, Barbara von Flüe
Köln, 4. März, in der Fastenzeit 2021


Kunstfreiheit
Zur Rolle der Museen in Zeiten der Pandemie
Unser Corona-Statement Nr. III

Wie bei den Beschlüssen des ersten Lockdowns wiederholt sich mit der gestern von Bund und Ländern getroffenen Maßnahme der Umstand, dass bei der Auflistung der zu schließenden Einrichtungen von Theatern und Konzerthäusern bis hin zu Spaßbädern und Bordellen so ziemlich alles genannt ist, was das gesellschaftliche Leben zu bieten hat, die Institution Museum aber zunächst ungenannt bleibt.
Einmal abgesehen davon, dass für uns Museumskurator*innen dadurch erneut eine Situation der Planungsunsicherheit entsteht, ist dieser Umstand insofern verwunderlich, als es sich bei den Museen gerade um jene Freizeiteinrichtungen handelt, die quantitativ noch vor den Fußballstadien die meisten Besucher*innen aufweisen können. Ist es zu weit gegriffen, aus der Nichtnennung der Museen abzuleiten, dass sie im politischen Denken keine Rolle spielen? Darf man daraus schließen, dass die Museen zwar als Garnitur eines vergnüglichen Sonntags akzeptiert sind, nicht aber in ihrer politischen Funktion, etwa als Bildungsinstitution zum Verständnis von Geschichte (auch zur Relativierung von Krisenzeiten), als Identitätsträger einer pluralistischen Gesellschaft oder als Ort des ästhetischen und spirituellen Ausgleichs?
Bei Durchsicht der Einrichtungen, die im Lockdown geöffnet bleiben, können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, und dass wirtschaftliche Erwägungen dabei die erste Rolle spielen. Aber weshalb lässt man diesen Aspekt bei der undifferenzierten Schließung der Kultureinrichtungen außer Acht? Wie werden Künstler*innen, Schauspieler*innen, Musiker*innen, die ganze freie Szene und alle, denen wir unser Kulturleben verdanken, diese Zeit überstehen können? Wie lange halten die Träger der Kultureinrichtungen durch, deren Finanzierung ohne Einnahmen zu garantieren? Sind wir zu pessimistisch, danach zu fragen, wie eine in Teilen kulturlose Gesellschaft nach Corona funktionieren soll?
Als Kunstmuseum ringen wir in einer auf Ökonomie und Effizienz getrimmten Zeit immer wieder um Legitimation, geht es hier doch darum, dem ästhetischen Spiel und der Phantasie einen Freiraum zu bieten. Der Freiraum, den die Kunst für sich beansprucht, reklamiert die politische Funktion der Ästhetik. Denn das Risiko des Museumsbesuchs stellt auch in Zeiten von Corona weniger die Gefahr der Infektion dar. Hier haben wir gegenüber den Konzerthäusern und Theatern den Vorteil, durch den individuellen Rundgang, große Raumvolumen, die Setzung von Regeln und deren Beaufsichtigung mehr Sicherheit garantieren zu können. Das Risiko des Museumsbesuchs liegt vielmehr prinzipiell im Potential seiner Inhalte.
Als »Museum der Nachdenklichkeit« regt Kolumba an zur Reflexion über sich selbst, über die/den Andere_n, über gesellschaftliche Konventionen und Werte, den Glauben, die Zeit usw. In der existentiellen Krise, die sich für jede_n Einzelne_n ebenso stellt wie für das Gemeinwesen der Demokratie, bietet das Kunstmuseum einmal mehr ein Angebot der Anregung und des Ausgleichs. Als Ort des Austauschs, der Freude, der Hoffnung, des Trostes und der Freiheit würde er dringender benötigt, denn je zuvor. Wir sehen uns – hoffentlich bald wieder.
Passen Sie auf sich und andere auf!

Für das Kolumbateam
Stefan Kraus, Ulrike Surmann, Marc Steinmann, Barbara von Flüe
Köln, zu Allerheiligen, November 2020


Privileg
Zur Situation des Kulturbetriebs nach zwei Monaten Lockdown
Unser Corona-Statement Nr. II

Kulturschaffende sind sich des Privilegs bewusst, an etwas zu arbeiten, das einem existentiell wichtig und daher wesentlich ist. Nicht selten ist dieses Privileg durch Selbstausbeutung erkauft, insofern der Leidenschaft, mit der man an der »Sache« hängt, eine systemische Unterfinanzierung weiter Bereiche des Kulturbetriebs gegenübersteht. Die Grundabsicherung vieler Beteiligter ist nicht nur in Krisenzeiten wie dieser völlig unzureichend. Fallen die Rahmenbedingungen des Betriebs aus, stehen Freischaffende ohne Ausfallzahlungen oft mittellos vor dem Nichts. Das ist nach zwei Monaten Lockdown auch die Situation etlicher Künstlerinnen und Künstler, die nun mehr benötigen als wohlmeinende Solidaritätsbekundungen.
Ein Privileg ist es auch, mit Kolumba eine Institution vertreten zu können, deren Museumskonzept sich in der Krise dadurch bewährt, dass wir handlungsfähig bleiben. Denn da wir fast ausschließlich mit den Werken der eigenen Sammlung arbeiten, sind wir weder in vertraglich zugesagte Ausstellungsübernahmen und Leihgabenverhandlungen verstrickt, die sich unter veränderten Bedingungen nicht erfüllen lassen, noch mit Sponsoren konfrontiert, die ihre Finanzierungsabsichten nun nicht aufrecht erhalten können. Mit der Beschränkung auf die eigenen Ressourcen bewahren wir uns die Beweglichkeit, die es braucht, um auf die sich weiterhin verändernde Situation reagieren zu können. Dabei vergessen wir nicht die Lage anderer Kultureinrichtungen, die bis auf Weiteres an ihrer Arbeit gehindert sind. Schauspielerinnen und Schauspieler können sich kaum in Proben begegnen, Orchester sollen Mindestabstände ihrer Ensemblemitglieder einhalten, die das gemeinsame Musizieren verhindern, an Theatern, Opern und Konzerthäusern ist alles abgesagt, plant man mit den notwendigen Vorlaufzeiten für eine kommende Spielzeit, deren Realisierbarkeit in den Sternen steht.
Krisen haben die Nebenwirkung, dass sie Zustände hervortreten lassen, deren Fragwürdigkeit längst bekannt war. Diese Feststellung gilt nicht nur für Schlachthöfe. Welche Forderungen stellen sich an den Kulturbetrieb, wenn den beteiligten Autorinnen, den Akteuren und Vermittlerinnen und nicht zuletzt den Mitarbeitern der weitgehend outgesourcten Dienstleistungen eine krisenfeste Absicherung ihrer Existenz ermöglicht werden soll? Welche Korrekturen sind notwendig, wenn soziale und ökologische Fragen hinter den Kulissen die gleiche Berücksichtigung finden wie auf der Bühne und in Ausstellungen, wo sie oft genug thematisiert werden? Es ist längst an der Zeit, auch in der Kultur über eine stärkere Nachhaltigkeit nachzudenken, die zu anderen Formaten und zu unerwarteten Kooperationen führt, in denen sich vorhandene Ressourcen ergänzen.
Deshalb freuen wir uns, die einjährige Zusammenarbeit mit Tanz Köln bekannt zu geben, die mit unserem jährlichen Ausstellungswechsel im September beginnen wird. Seit eineinhalb Jahren arbeiten wir mit Hanna Koller, der Leiterin der Sparte Tanz beim Schauspiel Köln, an dieser Kooperation. Sie wird als fünfte Kuratorin im kommenden Ausstellungsjahr dabei sein.
Wir wissen um das Privileg, das uns in schwierigen Zeiten unseren Auftrag erfüllen und unser Publikum finden lässt. Es verpflichtet uns dazu, es auch weiterhin zu nutzen. Lassen Sie uns gemeinsam auf die Zukunft der Kultur hoffen und für die Akzeptanz ihrer vielfältigen Spielorte eintreten!

Für das Kolumbateam
Stefan Kraus, Ulrike Surmann, Marc Steinmann, Barbara von Flüe
Köln, vor Pfingsten, Mai 2020


Sammlung
Eine Zustandsbeschreibung und eine »Inventur« von Eric Hattan
Corona-Statement Nr. 1

»Fassungslos« ist vielleicht das richtige Wort, dass den Zustand beschreibt, in dem wir uns gerade befinden. Die Welt ist im Krisen–modus und viele für uns selbstverständliche Lebensbedingungen sind derzeit eingeschränkt oder ganz entzogen. Das fängt mit den alltäg–lichen Gewohnheiten im Privat- und Arbeitsleben an, blockiert unser gesamtes Wirtschafts- und Sozialleben und endet mit dem einsamen Sterben vieler in Zeiten einer hochansteckenden Pandemie. Wir sind fassungslos, weil Rahmenbedingungen fehlen, die uns Halt geben, unsere Freiheit garantieren, uns orientieren, planen und handeln lassen.
Kolumba ist seit Wochen geschlossen und das ausgerechnet mit einer Jahresausstellung, die sich unter dem Titel »Aufbrüche« mit der Rolle von Kunst in Zeiten der Krise beschäftigt. Wir wissen weder wann dieser Zustand endet noch wohin er führt, aber es ist absehbar, dass das Jahr 2020 eine vermutlich stärkere Wegmarke setzen wird als die Jahre 1919, 1949 und 1969, an denen sich die Ausstellung orientiert. Mit der Reihe der »Gespräche zur Zeit« hatten wir ein passendes Format gewählt, um gemeinsam mit eingeladenen Gästen die Lage zu befragen, sich zu erinnern und zu vertiefen, um mit dem Blick zurück in die Gegenwart schauen und eine Zukunft wagen zu können. Doch was macht ein Museum, wenn es geschlossen ist? Was machen Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittler ohne Gäste? Gibt es Kunst ohne Publikum?
Zeiten der Krise bergen eine Chance: Sie zwingen uns dazu, Vorhandenes zu überprüfen, gegebenenfalls umzudenken, neue Wege zu gehen und Nischen aufzusuchen. Sie zwingen uns, nach Innen zu gehen – zur Sammlung. Man könnte ja einiges machen: Virtuelle Museumsrundgänge; vielleicht eine erweiterte Form der Filme, die wir auf unserer Homepage zu jedem neuen Ausstellungsjahr ohnehin anbieten; kurze digitale Werkbesprechungen, das »Bild der Woche« oder das »Kunstwerk zur Zeit« als wöchentlicher Podcast. Man könnte mit dem Hall der leeren Räume geheimnisvolle Selfies für Facebook und Instagram drehen. Man könnte auf Flickr dazu einladen, private Kolumbafotos hochzuladen und zu kommentieren, einen Blog zum Thema starten, zu Skype-Vorträgen einladen usw.
Macht das Sinn? So wie jede und jeder von uns unter den gegebenen Umständen eine eigene Haltung finden muss, so sollte jede Institution aus ihren eigenen Bedingungen heraus denken und entscheiden können. Ist es für die meisten Kulturreinrichtungen nicht fatal, wenn der Eindruck entsteht, man könne ihre Schließung durch Formate überbrücken, bei denen das Wesentliche – die Präsenz, der Moment, das Gemeinsame – nicht mitgeliefert werden kann? Für Kolumba gilt der Verlust in besonderem Maße, denn als »Museum der Nachdenklichkeit« betonen wir die Möglichkeit, sich über den realen Raum an Ort und Zeit zu binden. Dazu zählen alle Details, die das Besondere der Atmosphäre, der Räume, der Ausstellungen und Veranstaltungen ausmachen. Selbst für die Reihe der »Gespräche zur Zeit« gilt diese Feststellung, denn die Intimität des Lesezimmers stellt ohne Verstärkertechnik einen Rahmen, der das Gespräch als etwas Selbstverständliches und damit persönliche Inhalte ermöglicht.
Nun bezieht sich der Begriff »Museum« auf zweierlei: auf den inszenierten Raum, dessen Erlebnisqualität durch nichts zu ersetzen ist, und auf die Sammlung, das Depot als Ressource. Auf Letzteres bezieht sich der Schweizer Künstler Eric Hattan in seiner Arbeit »Inventur«, die wir zum zehnten Jubiläum von Kolumba (2017) in den leeren Ausstellungsräumen gezeigt haben. Besuchen Sie uns – im Depot:
»Bilderrechen«
»Heiligenlager«
»Designgestellfahrt«
»Profiterolles«
»on mars«

Wir wünschen Ihnen frohe Ostern!
Geben Sie auf sich und andere acht.
Für das Kolumbateam
Stefan Kraus, Ulrike Surmann, Marc Steinmann, Barbara von Flüe
Köln, Ostersonntag, 12. April 2020